Sprache und Politik
Mögen zwischen den Reden Ciceros und zeitgenössischen politischen Interaktionsformen wie Retweets, Hashtags oder Selfies mit der Kanzlerin zwar Weltalter von Informationsübertragungsmöglichkeiten sowie von inkommensurablen Staats-, Herrschafts- und Gesellschaftsverständnissen liegen, bleibt die Möglichkeitsbedingung jedweder politischer Betätigung jedoch über Jahrhunderte hinweg unangetastet dieselbe: die Sprache. Und ist ihre besondere Rolle im gemeinsamen Entscheidungsfindungsprozess zwar bereits in antiken Rhetoriken als genuin auf Argumentation und Überzeugungskraft ausgelegte ars bene dicendi codiert, wird die Verschlingung von Sprache und Politik heutzutage nicht mehr nur bei politische Reden deutlich, sondern präsentiert sich in zunehmend komplexer werdenden Kommunikationspraktiken als nahezu ubiquitär. Gerade im Dresden des Jahres 2016 sollten sich angehende Sprach- und Kulturwissenschaftler_innen ein auch theoretisch fundiertes Politik- und Demokratieverständnis aneignen, um in aktuellen gesellschaftlichen Debatten und Diskursen mündig und meinungsstark zu bleiben.
Im Seminar werden nach einer einleitenden Erörterung von
verschiedenen Politikbegriffen die historischen und methodischen
Anfangsgründe der Politolinguistik vermittelt. Dabei soll
zunächst der disziplinäre Gegenstandsbereich abgesteckt
werden, um die verschiedenen Funktionen und Erscheinungsformen
politischer Sprache beschreiben zu können, bevor zentrale
Analysekonzepte der Sprache-und-Politik-Forschung (Begriffe
besetzen, Streit um Worte) einerseits, der
kulturanalytischen Linguistik (Diskursanalyse, Frame-Semantik)
andererseits fokussiert werden. Fragen nach Funktionsweisen einer
semiotischen Kommunikationsguerilla und danach, welche medialen und
bildlichen Inszenierungsstrategien der Terrorismus (aus-)nutzt, sollen
zur Erweiterung des sprach- und kulturwissenschaftlichen Horizonts
beitragen. Um ein vertieftes Verständnis zum Zusammenhang
zwischen politischem (Sprach-)Handeln, gesellschaftlicher
Machtformation und ‚subjektiver‘ Meinungsbildung zu
erlangen, werden wir uns zudem mit performativen, praxeologischen und
(de-)konstruktivistischen Theorien beschäftigen und einen
sprachtheoretisch inspirierten Ausblick auf zeitgenössische
Debatten zu Postdemokratie, (Post-)Marxismus/(Post-)Anarchismus sowie
Hegemonial- und Ideologietheorie wagen und neuere politische
Partizipationsformen des Digitalen anschneiden.
Zur Einführung empfohlen:
Bundeszentrale für
politische Bildung (2011): Sprache und Politik. Abrufbar unter http://www.bpb.de/politik/grundfragen/sprache-und-politik/