TU Dresden | semesterübergreifend schwarz/weiß

Dr. Tanja Prokic

schwarz/weiß ist der markante Einband der deutschen Übersetzung von Kritik der schwarzen Vernunft (2014) des afrikanischen Philosophen Achilles Mbembe. Und auch ohne eine Zeile dieses Werks gelesen zu haben, ist ersichtlich, dass es auf einen Problembestand einer kulturwissenschaftlich un- oder unterinformierten Geisteswissenschaft verweist. Denn die Kritik ist ein dem Logos anverwandtes Unternehmen in der griechischen (critein = unterscheiden) Philosophie wurzelnd und seit jeher ein spezifisch abendländisches, und besonders seit der Sattelzeit und den drei Kritiken Kants, ein westliches, weißes (und viriles) Geschäft. Hat uns die Aufklärung (Enlightment) sehr viel helles Licht gebracht, so hat sie auch zahlreich grau schattierte Zweifelzonen eingerichtet. Als äußerst produktiv haben diese sich in der Schauerromantik und der Gothic Novel erwiesen und den von der Vernunft ausgegrenzten Themen Bereiche des Obdachs geschaffen.

Doch dass die Semantik von „Hell“ und „Dunkel“, „schwarz“ und „weiß“ spätestens mit einer Aufarbeitung der Kolonialisierungsgeschichte (und aktueller Klage gegen deutsche Kolonialverbrechen an den Herero und Nami) hätte in Verruf geraten müssen, ist in vielen Zusammenhängen bisher unbekannt und deutet auf versteckte Rassismen und gewollte Neorassismen hin. Nicht zuletzt diverse Politikerreden sind häufig von einer solchen belasteten Semantik durchdrungen und gehören einer strikten Revision unterzogen, denn das Gute, Schöne, Erhabene im Namen eines hellen und weißen Humanismus zu adressieren, verweist auf ähnliche Implikationen wie das Fremde als Dunkles, Verhülltes und Unkenntliches zu diffamieren. Auch in der politischen Aktionskunst werden Hautfarben und Semantiken bewusst und teilweise mit riskanten Implikationen eingesetzt (hierzu die Aktionen des Zentrum für politische Schönheit). Im Seminar wollen wir uns quer durch die Medien und Disziplinen  (Philosophie, Ethnologie, Kulturtheorie und Essay, Literatur, Stummfilm, Tonfilm, Serie, Fotografie, Theater) den verschiedenen Konstruktionen und Dekonstruktionen von schwarz/weiß widmen. Dabei wollen wir internationale (popkulturelle) Formate im Crossmapping mit kanonisierter germanistischer Literatur vergleichen und Klassiker der Post Colonial Studies (Said, Fanon, Spivak, Bhabha) und ihre folgenreichen Einflüsse verstehen.

Zur Einführung empfohlen:

Irina Kerner: Postkoloniale Theorien zur Einführung. Hamburg: Junius 2011.

María do Mar Castro Varela/Nikita Dhawan (Hg.): Postkoloniale Theorie: Eine kritische Einführung (2., komplett überarbeitete und erweiterte Auflage), Bielefeld: Transcript 2015.

Informationen zum Zugang
  • Dieser Inhalt ist freigegeben von 03.04.2017 12:00 Uhr bis 30.05.2020 14:11 Uhr.