Wir bleiben im Kontakt – zum Motiv der Berührung in der Bildenden Kunst
Dieser Kurs findet als *Präsenzveranstaltung* in Raum 105 statt.
Dienstag, 14:50 - 16:20 Uhr
Der ursprünglich aus dem Lateinischen stammende Begriff ‚Kontakt‘ beschreibt im heutigen Sprachgebrauch u.a. einen Zustand (miteinander im Kontakt sein) oder auch ein erstrebenswertes Ziel (den Kontakt herstellen). Dabei kann es sich um eine private und persönliche oder auch um eine berufliche oder öffentliche Beziehung handeln. Aus diesen genannten zwischenmenschlichen Verhältnissen heraus – ebenso sei an dieser Stelle auf die materielle Dimension zwischen verschiedenen Elementen; elektrischer Kontakt, Kontaktlinse, Kontaktgestein, etc. hingewiesen – lässt sich jedoch kaum die eigentümliche Bedeutung des Begriffes herleiten: nämlich den con-tacto; ein Akt, der durch und ‚mit Berührung‘ geschieht und das Taktile fokussiert. Hingegen verweist das Wort ‚berühren‘ unmittelbar auf einen beweglichen Prozess; etwas rühren bedeutet, etwas in Bewegung zu versetzen. Zwischen den Begriffen ‚Kontakt‘ und ‚Berührung‘, die beide eine konkrete Handlung, nämlich das Ertasten, Spüren, Erfühlen von etwas, ausdrücken, liegt in der Anwendung jedoch eine auffällige Diskrepanz. Selbst der zweifelsohne auf Berührung beruhende „sexuelle Kontakt“ bezieht sich vielmehr auf eine medizinische, nüchterne Beschreibung desselben, als dass er ein sinnliches Ereignis bezeichnen würde. Wie ist es dazu gekommen, dass die Fühlung, nämlich der sinnliche Kon-takt in unserer Wahrnehmungswelt zu einem intimfreien, sachlichen und vor allem distanzierten Begriff geworden ist?
Die Kunst beweist seit jeher, dass Berührungen zwischen Raum, Körper und Materie eine der Voraussetzungen sowohl in der künstlerischen Praxis als auch im Wahrnehmungsprozess von Kunstwerken sind. Denn nicht nur in der Produktion finden zahlreiche ‚Berührungsprozesse‘ statt, auch in der Perzeption hat das Taktile längst die sensorische Welt der Bertrachter_innen, bzw. der Berührer_innen erobert. Die hegemoniale Kultur des Sehens, auf welche sich das okularzentristische Abendland stützt, gerät mit der ‚Entdeckung‘ der anderen Sinnesorgane in eine Krise. Doch durch die Berührung lässt sich das ‚Paradigma der Distanz‘, wie u.a. die Phänomenologie gezeigt hat, neu verhandeln. So werden im Seminar künstlerische Arbeiten – von der Moderne bis in die Gegenwart – aus der Berührung heraus analysiert und diskutiert. Dabei gilt es zu erörtern, welche ästhetischen und politischen Ordnungen die Sinne der Wahrnehmung – nach wie vor – nicht nur strukturieren, sondern im Wesentlichen auch dominieren. Ein bedeutendes Motiv der Berührung zeigt sich beispielsweise im Akt der Umarmung, die durch die Kunstgeschichte hindurch ein beliebtes Sujet darstellte. So werden wir uns im Seminar mit ‚Umarmungsbildern‘ von Vertreter_innen der Moderne – u.a. Klimt, Picasso, Schiele – über die genderhinterfragenden Ansätze eines Robert Mapplethorpe bis hin zu den Performancekünsten von Tino Sehgal beschäftigen.
Ein im Seminar integrierter Workshop mit der Künstlerin katharinajej, die sich u.a. in ihrer Arbeit mit dem Thema ‚Berührung‘ auseinandergesetzt hat, ist geplant.