Boys (don´t) cry: Kunst und Queerness im lateinamerikanischen und US-amerikanischen Raum
ONLINE-Seminar via Zoom
„Boys don´t cry“ nennt sich das 1999 erschienene Filmdrama über das Leben von Brandon Teena, der im Körper einer Frau geboren und aufgrund seiner Transsexualität ermordet wurde. Auch die Popband The Cure verarbeitet den vermeintlich ‚männlichen Wesenszug‘ nicht zu weinen und damit Gefühlen keinen Ausdruck zu verleihen im gleichnamigen Song. Über derartige geschlechterzuweisende Merkmale sowie Handlungs- und Verhaltensanweisungen vom ‚starken‘ bis zum ‚schwachen‘ Geschlecht definiert sich die sogenannte Heteronormativität, die auf ein binäres Gendersystem aufgebaut ist.
Weltweit erzielten Künstler:innen der Avantgarde im 20. Jahrhundert die Befreiung der Kunst aus traditionellen Formen und den Paradigmen der Akademie. Zum wesentlichen Bestandteil dieser künstlerischen Bewegungen zählen auch die Emanzipationsprozesse der Geschlechter, die bereits um die Jahrhundertwende von queeren und feministischen Künstler:innen vorangetrieben wurden. Trotz zahlreicher künstlerischen und queeraktivistischen Bewegungen oder auch politischer Ansätze wie beispielsweise der international deklarierten „UN-Dekade der Frauen“ in den 1970er und 1980er Jahren, befindet sich die Gleichberechtigung der Geschlechter und der freien sexuellen Identität in der Kunstgeschichtsschreibung an vielen Stellen nach wie vor am Anfang. Für den lateinamerikanischen Raum zeigt dies u.a. die Forschung der Kunsthistorikerinnen Andrea Giunta und Cecilia Fajardo-Hill, deren 2017 im Hammer Museum gezeigte Ausstellung „Radical Women: Latin American Art 1960-1980“ auf diesem Feld Pionierarbeit leistete. Das Seminar widmet sich der Analyse künstlerischer Arbeiten aus dem lateinamerikanischen und US-amerikanischen Raum. Dabei liegt der Fokus auf feministischen und queeren Positionen, die gegebene Geschlechterrollen hinterfragen und durch ihre Arbeiten Widerstand leisten. Hierzu zählen immer auch Minderheiten, wie die Chicana-Künstler:innen in den USA oder queere indigene Künstler:innen aus Lateinamerika. Ein praxisorientierter Teil des Seminars wird sich mit der Arbeit des argentinischen Künstlers und Choreografen Leandro Kees beschäftigen. Kees wird u.a. in Dresden die Tanzperformance „Notes on Camp“, welche auf den bekannten Essay der Kunsthistorikerin Susan Sontag zurückgreift, produzieren. Die Teilnehmer:innen des Seminars haben deshalb die Möglichkeit mit den Künstler:innen und Tänzer:innen zum Thema Queerness und Geschlechteridentität zu diskutieren und darüber hinaus direkte Einblicke in den Produktionsprozess der künstlerischen Arbeit zu erhalten.
Literaturverzeichnis
Alonso, Rodrigo; Antivilo, Julia; Butler, Cornelia H. (Hg.) (2017): Radical women. Latin American art, 1960-1985. Unter Mitarbeit von Cecilia Fajardo-Hill und Andrea Giunta. Hammer Museum; Brooklyn Museum; Exhibition Radical Women: Latin American Art, 1960-1985. Los Angeles, Munich, New York: Hammer Museum University of California; DelMonico Books Prestel.
Butler, Judith (2015): Die Macht der Geschlechternormen und die Grenzen des Menschlichen. 3. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft, 1989).
Butler, Judith (2017): Körper von Gewicht. Die diskursiven Grenzen des Geschlechts. 9. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Edition Suhrkamp, 1737 = N.F., 737).
Foucault, Michel (2017): Der Wille zum Wissen. 21. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, 716).
Fusco, Coco (2000): Corpus delecti. Performance art of the Americas. London, New York: Routledge. Online verfügbar unter http://site.ebrary.com/lib/alltitles/docDetail.action?docID=10164473.
Roenneke, Stefanie (2017): Camp als Konzept. Ästhetik, Popkultur, Queerness. Moers: Posth Verlag (Schriften zur Popkultur, Band 10).
Sontag, Susan: Notes on Camp, 1964 (Online verfügbar)