Krabat: der ‚sorbische Faust‘?

TU Dresden | Sommersemester 2023 Krabat: der ‚sorbische Faust‘?

Der Zauberer Krabat gilt als bedeutendste und bekannteste sorbische Sagenfigur, durch die sorbische Mythen auch über die Grenzen der Lausitz hinweg bekannt wurden. Der Zauberlehrling, der den schwarzen Müller und die Macht seiner geheimnisvollen schwarzen Mühle bezwingt, fasziniert nicht zuletzt in den bekannten Roman- und Jugendbuchfassungen von Ottfried Preußler und Jurij Brězan sowie im 2008 veröffentlichten Film von Marco Kreuzpaintner ein großes Publikum. Krabat wird dabei im öffentlichen Diskurs häufig als ein ‚sorbischer Faust‘ bezeichnet, eine für die Sorben zentrale Reflexionsfigur, anhand derer sich nicht nur kulturelle Identität, sondern ebenso zentrale Problemstellungen verhandeln lassen, die im Zuge der Konfrontation der kleinen slawischen Minderheit mit einer sich seit dem 19. Jahrhundert rasch modernisierenden und transformierenden Lebenswelt virulent werden. Über den ähnlichen Ursprung in einer Sagentradition bis hin zum Motiv des Teufelspakts scheint ein solcher Vergleich zwischen Krabat und Faust zunächst evident; die mit ihm verbundenen Erkenntnismöglichkeiten und die Grenzen dieser Analogie werden dabei allerdings selten ausreichend reflektiert. Im Seminar wollen wir uns dieser Aufgabe annehmen und nach einer anfänglichen kurzen und ausschnitthaften (Re-)Lektüre von Goethes Faust und Beschäftigung mit dem Faust-Stoff die Krabat-Sage und ihre modernen literarischen und medialen Bearbeitungen intensiv in den Blick nehmen. Dabei sollen neben den Faust-Parallelen ebenso Fragen der sorbischen kulturellen Selbst- und Fremdbeschreibung sowie die Funktionen und Potentiale der Krabat-Figur im interkulturellen Zwischenraum der deutschen und sorbischen Literatur im Zentrum stehen. Die jeweiligen Adaptionen und Bearbeitungen des Krabat-Stoffs sollen dabei stets unter Berücksichtigung ihres (literatur-)historischen Kontexts auf ihren ideologischen Gehalt befragt und mit Blick auf aktuelle literatur- und kulturwissenschaftliche Fragestellungen (etwa bzgl. Machtstrukturen, Gender, Alterität, Ökonomie, Medialität etc.) kritisch gedeutet und analysiert werden.

  • Behandelt werden ausschließlich deutschsprachige Texte, daher sind Sorbischkenntnisse zur Seminarteilnahme nicht erforderlich. Das Seminar ist lektüreintensiv und setzt die Bereitschaft zur ausgiebigen und kontinuierlichen Beschäftigung mit den gelesenen Texten sowie zur aktiven Mitarbeit im Seminargespräch voraus.
  • Als Teil des Seminars ist am 12. Mai 2023 eine Exkursion zur „Krabat-Mühle“ in Schwarzkollm inklusive Führung geplant.

Literatur

  • Vollständig gelesen werden folgende Texte: Martin Nowak-Neumann: Meister Krabat der gute sorbische Zauberer (1954); Jurij Brězan: Die Schwarze Mühle (1968); Ottfried Preußler: Krabat (1971)
  • In Auszügen gelesen werden folgende Texte: Johann Wolfgang von Goethe: Faust I & II (1808, 1832); Jurij Brězan: Krabat oder Die Verwandlung der Welt (1976); Jurij Brězan: Krabat oder Die Bewahrung der Welt (1995)
  • Hinzukommen kürzere Sagen-Texte bzw. ältere Fassungen der Krabat-Sage, kurze zeitgenössische literarische Bearbeitungen sowie ausgewählte Sekundärliteratur.
  • Behandelt wird außerdem der Film Krabat (Deutschland, 2008, Marco Kreuzpaintner)
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