SCHURIG_Seminar: The Power of Maps and Mapping Power Relation: Einführung in das kritische Kartieren
Karten erscheinen auf den ersten Blick als objektivierte Abbildungen der materiellen Welt. Sie markieren Objekte an der vermeintlich klaren Grenzen zwischen natürlich (Boden, Vegetation, Gewässer etc.) und anthropogen (Gebäude, Straßen, Grünflächen usw.). Die Prozess des Kartenmachens auf Grundlage von mathematisch-statistischen (Mess-)Verfahren gerät dabei oft bereits aus dem Blick. In der englischsprachigen Geographie wurde der Status der Neutralität und Objektivität von Karten spätestens durch John Harleys dekonstruktivistischen Überlegungen Ende der 1980er grundlegend infrage gestellt. Die Macht der Karten wurde im Anschluss auch von Denis Woods neu verhandelt. Die Kritische Kartographie untersucht - meistens ausgehend von poststrukturalistischen, sozialkonstruktivistischen und machtkritischen Perspektiven - die Prozesse der Herstellung (Konstruktion) von Karten, Bedeutungen, Symboliken und den ideologischen Vorannahmen. Im Zuge dessen, so lautet eine These, verlor die Karte in der Kritischen Kartographie aufgrund des Fokus auf (de-)konstruktivistischen Ansätze ihren Status als Praxiswerkzeug. Im Zuge emanzipatorischer Ansätze in den Wissenschaften, die wissenschaftliche Praxis als Mittel ansah gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, entstanden Counter-Mappings und das Kritische Kartieren. Feministische, queere, ökologische, antirassistische, dekoloniale, antikapitalistische, kinderzentrierte und vor allem urbane Perspektiven sind nur ein Teil der thematischen Breite, die in den letzten Jahren zu völlig neuen Kartierungspraktiken geführt haben.
Hinweis: Das Seminar ist forschungspraktisch angelegt. In Kleingruppen sollen eigene Projekte konzipiert, diskutiert, durchgeführt und reflektiert werden. Für die Teilnahme wird ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit erwartet. Neben der zur Verfügung gestellten Literatur ist es zwingend nötig, sich eigenständig ein Grundwissen zu kartographischen Methoden, zu wissenschaftlichen Diskussionen zur Kritischen Kartographie und an Beispielen kritischer Kartierprojekte anzueignen. Darüber hinaus ist von allen Teilnehmer*innen ein überdurchschnittliches Maß an kritischer Haltung und Selbstreflexion erwünscht, um sich mit eigenen Identitätskonstruktionen und Privilegien sowie struktureller Diskriminierung, diskriminierender Sprache und Gewalt auseinanderzusetzen. Für das produktive und lösungsorientierte kollaborative Arbeiten in einer Forschungsgruppe werden Empathie, Engagement und Kommunikationsfähigkeit erwartet. Einzelprojekte sind auf Anfrage möglich.
Qualifikationsziel: Im Seminar sollen eigene Forschungsprojekte von der Idee über die methodische Umsetzung bis zur Analyse und Aufbereitung entwickelt, durchgeführt und mit den anderen Teilnehmenden reflektiert werden. Darüber hinaus sollen Grundkenntnisse in theoretischen Diskussionen um Kartographie, Kritische Kartographie und Kritischem Kartieren erworben werden, die dennoch viel Raum für kreativ-künstlerische Arbeiten lassen.
Dozent*in: Stephan Schurig, M.Sc.
Zeit: Mittwoch, 07.30 – 09.00
Beginn: 05.04.2023
Module:
- SV4 (B.A. Europa-Studien)
- D3 (M.A. Interkulturelle Germanistik)
- PM_HG (B.A. Politikwissenschaft)
- VM3/SM2/VM4.2 (B.A. IKK)