Hauptsesminar: Metaphysik und Ontotheologie bei Descartes
Unter dem Einfluss der heute führenden „philosophischen Richtung“ – der analytischen Philosophie – wird die Metaphysik des Cartesius sehr oft auf deren systematische Verhältnisbestimmung von Materie (Körper) einerseits und Geist andererseits reduziert. Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass besagte exegetische Orientierung an dieser Verhältnisbestimmung eine legitime Interpretationsperspektive zu gründen vermag. Aber diese Perspektive ist nicht die einzig relevante Perspektive auf Descartes‘ Philosophie – und was die Sachlage noch exegetisch unbefriedigender erscheinen lässt: Sie stellt nicht einmal das eigentliche Fundament von Descartes eigener philosophischer Ursprungs - und Ausgangsfrage dar.
Descartes Neubeginn und Neubegründung der Philosophie in den „Regulae ad directionem ingenii“ (eine Schrift, die heute sehr selten in Einführungsproseminaren gelesen wird) bestehen in nichts anderem, als einer Kritik der reinen Vernunft – deutlich bevor Kant expressis verbis eine solche „Kritik“ in die Philosophie eingeführt hat. Der wohlinformierte Student der Philosophie wird die sogenannte „kopernikanische Wende“ gern auch mit Kants Grundformel, die Bedingungen der Erkenntnis des Gegenstandes seien zugleich die Bedingungen des Gegenstandes der Erkenntnis, in Verbindung bringen wollen. Der von Descartes in den „Regulae“ entwickelte Begriff der „natura simplex“, der sich ähnlich im Terminus in den „Meditationen“ – nun „Idea vera“ genannt - wiederfinden wird, steht in einer sehr engen Nähe zu dieser gnoseologischen Grundthese Kants, sodass man pointiert sagen könnte, die allererste Kritik der reinen Vernunft finde sich in nuce in Descartes „Regulae“ vor.
Unter dieser Perspektive werden wir Passagen aus den Regulae ad directionem Ingenii, den Meditationes de prima philosophia sowie den Principia philosophiae lesen – und im Ausgang von diesen Vorüberlegungen einen Rekonstruktionsversuch der Metaphysik, Erkenntnislehre und Ontotheologie des Cartesius vornehmen.
Wenn Sie sich optimal auf das Hauptseminar vorbereiten wollen, besorgen Sie sich vor der ersten Sitzung eine lateinisch-deutsche Ausgabe dieser drei Schriften aus der philosophischen Bibliothek Meiner. Lateinkenntnisse sind aber für die Teilnahme keine „Conditio sine qua non“. Wenn Sie sich gut auf das Hauptsemna vorbereiten wollen, besorgen Sie sich vor der ersten Sitzung eine deutsche Ausgabe dieser drei Schriften aus der philosophischen Bibliothek Meiner. Wenn Sie glauben, sich nicht auf das Haupteminar vorbereiten zu müssen, könnten Sie darauf vertrauen, dass Ihnen die seminarrelevanten Passagen aus Descartes Werken auf Opal zur Verfügung gestellt werden. Aber bedenken Sie bitte, dass man als Philosophiestudent wenigstens eine Ausgabe der „Meditationen“ sein Eigen nennen können sollte.