Übung: Fortschritt. Metamorphosen einer Idee von der Aufklärung bis in die Gegenwart (WS 2013-14)

Titelbild des Kurses
TU Dresden | Wintersemester 2013 / 2014 Übung: Fortschritt. Metamorphosen einer Idee von der Aufklärung bis in die Gegenwart (WS 2013-14)

Fortschritt. Metamorphosen einer Idee von der Aufklärung bis in die Gegenwart

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Die ‚Menschheit‘ avanciert nicht, sie existiert nicht einmal. Der Gesamt-Aspekt ist der einer ungeheuren Experimentier-Werkstätte, wo einiges gelingt, zerstreut durch alle Zeiten, und Unsägliches mißrät, wo alle Ordnung, Logik, Verbindung und Verbindlichkeit fehlt.“ Dieses Urteil Friedrich Nietzsches, der sich selbst einen „Unzeitgemäßen“ nannte, steht in schroffem Gegensatz zum liberalen Fortschrittsbegriff des 19. Jahrhunderts. Der Gedanke, die Zeit bringe eine grundsätzliche und beständige Veränderung der menschlichen Verhältnisse zum Besseren, ist relativ jung. Erst nachdem als Folge der Entdeckung einer offenen Zukunft im 17. Jahrhundert „Erfahrungsraum“ und „Erwartungshorizont“ auseinandergefallen waren, formte sich während der Aufklärung die normative Vorstellung eines universellen, einmaligen, alles fortreißenden historischen Prozesses. Das Fortschrittsverständnis des Liberalismus, das auch beim jungen Marx anzutreffen ist, war optimistisch. Für Max Weber trat mit der Aufklärung der Glaube an den Fortschritt an die Stelle des Gottglaubens. Die Erfolge der Naturwissenschaften steigerten die Zuversicht in die grundsätzliche Gestaltbarkeit der Welt. Im Zuge technischer „Errungenschaften“ wuchs auch das Vertrauen in die

Fähigkeiten einer verwissenschaftlichten Technik, soziale und kulturelle Probleme lösen zu können. Der Fortschrittsglaube wurde um 1900 technisiert und die Technik erlangte eine nahezu heilsgeschichtliche Bedeutung. Besonders neue Technologien wie die Elektrizität wurden zu Sinnbildern des Fortschritts und nährten den Glauben an die unbegrenzte Steigerungsfähigkeit technischer Mittel zum Wohl der Allgemeinheit. Ingenieure konnten sich als säkulare Missionare und Avantgarde einer allgemeinen Fortschrittsbewegung empfehlen.
Die Übung will der Entwicklung und dem Sinngehalt der philosophischen Idee des „Fortschritts“ von der Aufklärung bis zur Gegenwart nachspüren. Dabei sollen Wellen und Höhepunkte sowohl der Fortschrittsgläubigkeit als auch -skepsis in den Blick genommen werden. Im 20. Jahrhundert wird insbesondere die Technisierung der Fortschrittsidee zum Untersuchungsgegenstand. Am Beispiel des Strukturbruchs der 1970er Jahre wird der Frage nachgegangen, ob es in der jüngsten Zeitgeschichte tatsächlich zu einer Auflösung der Fortschrittssemantik gekommen ist.

Einführende Literatur:
U. Fraunholz / S. Wölfel (Hg.), Ingenieure in der technokratischen Hochmoderne. Thomas Hänseroth zum 60. Geburtstag, Münster u.a. 2012; Th. Hänseroth, Technischer Fortschritt als Heilsversprechen und seine selbstlosen Bürgen. Zur Konstituierung einer Pathosformel der technokratischen Hochmoderne, in: H. Vorländer (Hg.), Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen, Berlin 2013, S. 267–288; R. Koselleck, Fortschritt, in: O. Brunner u.a. (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch zur politisch-sozialen Sprache, Bd. 2, Stuttgart 1975, S. 351–423; F. Rapp, Fortschritt. Entwicklung und Sinngehalt einer philosophischen Idee, Darmstadt 1992; D. Speich Chassé, Fortschritt und Entwicklung, Version: 1.0, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 21. 9.2012, URL: http://docupedia.de/zg/Fortschritt_und_Entwicklung?oldid=84606.89

Weitere Informationen anzeigen
Lade Bewertungsübersicht
Lade Übersicht