IHI Zittau | Wintersemester 2014 / 2015 9. Zittauer Gespräche zur Wirtschafts- und Unternehmensethik,

zugleich Workshop der VHB-Kommission Wissenschaftstheorie und Ethik in der Wirtschaftswissenschaft


vom 24. bis 25. Oktober 2014 im Zittauer Rathaus

 

„CSR zwischen Green Washing und ethischer Reflexion“

Corporate Social Responsibility (CSR) zählt heute zu den zentralen Begriffen der wirtschafts- und unternehmensethischen Forschung ebenso wie der Wirtschaftspraxis. Wohl kaum ein anderer Begriff dürfte in den vergangenen dreißig Jahren die Debatte um eine Wirtschafts- und Unternehmensethik in stärkerem Maße beeinflusst haben (Crane et al., 2009). Zwischenzeitlich existiert nahezu kein größeres Unternehmen, das nicht auf ein CSR-Programm in der ein- oder anderen Form verweisen könnte. Zahlreiche theoretische Arbeiten der letzten Jahre beschäftigen sich mit dem Thema korporative Verantwortung. Das Themenspektrum reicht hier von der normativen Begründung unternehmerischer Verantwortung (Carroll, 1979; Palazzo & Scherer, 2007), über die Frage nach den Kontrollmöglichkeiten unternehmerischer CSR-Aktivitäten (Aßländer 2011; Scherer et al., 2006) bis hin zu empirischen Studien zum Zusammenhang von CSR und unternehmerischem Erfolg (Margolis & Walsh, 2001; Orlitzky et al., 2003). Sowohl seitens der Theorie als auch seitens der Praxis wurde ein umfangreiches CSR-Instrumentarium entwickelt, mit dessen Hilfe Unternehmen sicherstellen sollen, dass ihre Geschäftspolitik allgemein anerkannten Verhaltensstandards genügt und Unternehmen einen Beitrag für die Gemeinschaft leisten (Leisinger, 2007). Internationale Verhaltensstandards, wie etwa die ISO 26000, der UN Global Compact oder die revidierte Fassung der OECD Guidelines für multinationale Unternehmen unterstreichen die Bedeutung derartiger CSR-Maßnahmen innerhalb der Unternehmen.

Allerdings ist es gerade der Umgang mit CSR in der Unternehmenspraxis, der zunehmend Kritik hervorruft. Insbesondere unternehmenskritische Nichtregierungsorganisationen erheben den Vorwurf, dass CSR den Unternehmen vor allem dazu diene, ihr Verhalten schön zu reden und ihre Geschäftspolitik vor kritischen Einwänden zu schützen. Sie argumentieren, dass CSR vielen Unternehmen nur als PR-Maßnahme diene, um das Unternehmen in der Öffentlichkeit in einem günstigen Licht darzustellen und mit dieser oft als „Green Washing“ oder „Blue Washing“ bezeichneten Strategie von moralisch fragwürdigen Geschäftspraktiken abzulenken (Basu & Palazzo 2008). Zudem würden CSR-Instrumente seitens des Top-Managements zunehmend dazu genutzt, sich gegen unerlaubte Handlungen der eigenen Mitarbeiter abzusichern. In diesem Sinne dienten strikte Verhaltensstandards, anonyme Hinweisgebersysteme etc. nicht dazu, die Geschäftsmoral der Unternehmen zu befördern, sondern dazu Top-Manager und Unternehmen vor strafrechtlicher Verfolgung aufgrund gesetzlicher Verstöße einzelner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schützen. Ein weiterer Vorwurf an Unternehmen schließlich lautet, dass sie CSR dazu benutzen würden, Ethik für Geschäftszwecke zu instrumentalisieren. Ehrenwerte Geschäftspraktiken werden nicht als eine grundsätzliche moralische Verpflichtung gesehen, sondern im Sinne einer strategischen CSR zu einem Instrument umgedeutet, das es Unternehmen erlaubt, Reputation aufzubauen und so die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten des Unternehmens zu verbessern (Werther & Chandler 2005). So diene das angebliche soziale und philanthropische Engagement der Unternehmen vor allem Werbezwecken oder finanziellen Interessen. Beispielsweise vergab der Tabakkonzern Philipp Morris im Jahre 1999 etwa 75 Mio. USD für wohltätige Zwecke, investierte aber zeitgleich 100 Mio. USD, um dies zu bewerben (Porter & Kramer, 2004). Ähnlich bescherten BP 2006 die Bemühungen, 10 Prozent ihrer Treibhausgase einzusparen und hierfür 20 Mio. USD zu investieren, Einsparungen in einer geschätzten Höhe von 650 Mio. USD (Banerjee, 2007).

Anliegen der 9. Zittauer Gespräche zur Wirtschafts- und Unternehmensethik, die auch in diesem Jahr zugleich als Workshop der Kommission Wissenschaftstheorie und Ethik in der Wirtschaftswissenschaft des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaftslehre (VHB) durchgeführt werden, ist es, diese aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet Corporate Social Responsibility kritisch zu durchleuchten.

Wir haben dazu eingeladen, empirische wie theoretische Beiträge unter anderem zu folgenden Themen einzureichen:

CSR-Theorie

  • Theoretische und philosophische Grundlagen einer CSR
  • Zusammenhang von CSR und Corporate Citizenship
  • Politische Dimensionen von CSR
  • CSR als Business Strategie multinationaler Unternehmen
  • CSR in Klein- und mittelständischen Unternehmen
  • CSR in unterschiedlichen Kulturen

CSR im organisationalen Kontext

  • CSR Instrumente: Leistungsfähigkeit und Grenzen
  • CSR und Governance: Compliance und Integrity
  • CSR, PR und Kommunikationspolitik
  • Organisationale Probleme bei der Durchsetzung von CSR
  • CSR und Unternehmenskultur
  • CSR-Praktiken in verschiedenen Wirtschaftssektoren

CSR-Standards und Rahmenwerke

  • Klassifikation und Abgrenzung von CSR-Standards
  • CSR-Standards zwischen Effizienz und Überregulierung
  • CSR-Standards als Ergänzung des Rechts
  • CSR-Standards und Stakeholder-Anliegen
  • CSR-Standards: Blue Washing oder minima moralia?
  • Anwendung von CSR-Standards in verschiedenen Wirtschaftszweigen

Empirische Beiträge und Fallstudien

  • Zusammenhang zwischen CSR und Unternehmenserfolg
  • Wirkung von CSR-Instrumenten und Leitsätzen
  • Werthaltungen und CSR: Sektorale und kulturelle Unterschiede
  • Einfluss von Nichtregierungsorganisationen auf CSR-Politik
  • Best Practice bei der Umsetzung von CSR-Maßnahmen
  • CSR und Corporate Reputation

 

Literatur

Aßländer, M. S. (2011). Corporate Social Responsibility as Subsidiary Co-Responsibility. A Macroeconomic Perspective, in Journal of Business Ethics, 99(1), S. 115-128.

Banerjee, S. (2007): Corporate Social Responsibility – The Good, the Bad, and the Ugly, Northampton.

Basu, K. und Palazzo, G. (2008): Corporate Social Responsibility: A Process Model of Sensemaking, in Academy of Management Review, 33(1), S. 122-136.

Carroll, A. B. (1979): A Three-Dimensional Conceptual Model of Corporate Social Performance, in Academy of Management Review, 4(4), S. 497-505.

Crane, A., McWilliams, A., Matten, D., Moon, J. und Siegel, D. S. (2009): The Corporate Social Responsibility Agenda, in dies. (Hrsg.): The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility, Oxford, S. 3-15.

Leisinger, K. M. (2007): Corporate Philanthropy: The Top of the Pyramid, in Business and Society Review, 112(3), S. 315-342.

Margolis, J. D. und Walsh, J. P. (2001): People and Profits? The Search for the Link Between a Company’s Social and Finance Performance, Lawrence Erlbaum: Mahwah, NJ.

Orlitzky, M., Schmidt, F. L. und Rynes, S. L. (2003): Corporate Social and Financial Performance: A Meta Analysis, in Organizational Studies, 24(3), S. 403-441.

Porter, M. E. und Kramer, M. R. (2002): The Competitive Advantage of Corporate Philanthropy, in Harvard Business Review, 80(12), S. 56-68.

Scherer, A. G. und Palazzo, G. (2007): Toward a Political Conception of Corporate Responsibility: Business and Society Seen from a Habermasian Perspective, in Academy of Management Review, 32(4), S. 1096-1120.

Scherer, A. G., Palazzo, G. und Baumann, D. (2006). Global Rules and Private Actors: Toward a New Role of the Transnational Corporation in Global Governance, in Business Ethics Quarterly, 16(4), S. 505–532.

Werther, W. B. Jr. und Chandler, D. (2005): Strategic Corporate Social Responsibility as Global Brand Insurance, in Business Horizons, 48(4), S. 317-324.

9. Zittauer Gespräche

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