Theorien der Störung
Ob Ausfall des Stromnetzes oder Rauschen in der Telefonleitung,
traumatisches Erlebnis oder simpler Versprecher, historische
Katastrophe oder genetische Mutation: Störungen sind elementare
Bestandteile natürlicher wie kultureller Prozesse. In der
kulturwissenschaftlichen Forschung ist die Störung vor allem als
epistemologische Kategorie konzipiert worden, werden doch die
Funktionsweisen und Voraussetzungen von Systemen oftmals erst dann
erkennbar, wenn sie nicht mehr selbstverständlich funktionieren.
Zudem wird die produktive Kraft von Störungen hervorgehoben: Ohne
Unterbrechung, Abweichung oder Dysfunktion, so die These, wären
Innovationen oder Evolution kaum möglich. Das gilt auch und
insbesondere für den Bereich der Ästhetik, in dem die
Störung spätestens in den Avantgarden um 1900 zu einer
zentralen Kategorie wird.
Das lektüreintensive Seminar arbeitet zunächst
Störungskonzepte aus unterschiedlichen wissenschaftlichen
Disziplinen auf, wobei neben kultur-, medien- und
kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen je nach Interessenlage
der TeilnehmerInnen auch naturwissenschaftliche, sprachtheoretische,
soziologische, psychologische oder geschichtswissenschaftliche
Positionen zur Diskussion gestellt werden. Der Fokus liegt auf
Ansätzen des 20. Jahrhunderts. In einem zweiten Schritt wird die
Störung als ästhetische Kategorie erkundet und am Beispiel
ausgewählter filmischer und literarischer Werke veranschaulicht.