S: Der Einfluss des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik

TU Dresden | Wintersemester 2015 / 2016 S: Der Einfluss des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik

Mit den Worten „Er würde den ganzen Verfassungsgerichtshof eigenständig in die Luft sprengen“ äußerte in den 1950er Jahren der damalige Bundesjustizminister Thomas Dehler seinen Unmut über die aus Sicht der Bundesregierung unbotmäßige Einflussnahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Westpolitik der Bundesregierung. Kanz-ler Adenauer bezeichnete das Gericht in anderem Zusammenhang sogar als „Diktator Deutschlands“. Seitdem sind über 70 Entscheidungen durch das Bundesverfassungsgericht ergangen, die sich mit Außenpolitik im weitesten Sinne - worunter auch die Europapolitik als besonderer Fall der Außenpolitik fällt - befassen. Heute schließlich ist die Frage nach der Rolle des Bundesverfassungsgerichts in der deutschen Außenpolitik angesichts der unklaren Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise so aktuell wie nie.
Wie in den Eingangszitaten aus der Gründungszeit der Bundesrepublik angedeutet, stellt sich seit jeher bei Gerichtsentscheidungen mit außenpolitischem Bezug die Frage, inwieweit das Bundesverfassungsgericht, dessen originäre Aufgabe es ist, Recht zu sprechen, auf die Politischste aller Politiken – die Außenpolitik, Einfluss nehmen darf. Denn eine politische Einflussnahme ist nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung der auswärtigen Gewalt nicht vorgesehen. Hiernach ist die Außenpolitik grundsätzlich die Domäne der Exekutive und allenfalls in bestimmten Situationen betreibt sie diese zusammen mit dem Parlament als kombinierte Gewalt. Doch in der Realität verfassungsgerichtlicher Entscheidungen scheinen sich diese Grundsätze zunehmend aufzulösen. So haben rechtliche Vorgaben des Gerichts immer öfter außenpolitische Auswirkungen. Mehr und mehr scheint das Gericht dadurch aus einer Rolle des rechtlichen Kontrolleurs der auswärtigen Gewalt in eine Rolle des außenpolitischen Akteurs zu verfallen.
Anhand der Untersuchung zentraler Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Außen- und Europapolitik soll im Seminar der Frage nachgegangen werden wie das Gericht Einfluss auf diese Politikbereiche nimmt und welche Folgen dies für die Entscheidungsprozesse und -inhalte deutscher Außenpolitik hat. Die Herangehensweise des Seminars ist dabei interdisziplinär angelegt. So sollen die Entscheidungen nicht nur juris-tisch untersucht, sondern auch in ihren historisch-politischen Kontext eingeordnet wer-den. Am Ende soll die Erarbeitung einer politikwissenschaftlichen Theorie zur Einfluss-nahme des Bundesverfassungsgerichts auf die Außenpolitik stehen.
Kenntnisse des Staats-, Europa- und Völkerrechts sind für die Teilnahme am Seminar nicht zwingend erforderlich. Sie werden bedarfsorientiert in den Sitzungen gemeinsam erarbeitet.

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