Verfügbarkeit von und Zugang zu Lernmaterialien und Forschungserkenntnissen sind eine zentrale Frage in der digital gestützten Lehre. Sie sind sowohl für das nachhaltige Angebot von Lernmaterialien als auch für die Reichweite und Sichtbarkeit der Lehrveranstaltung entscheidend. OER versprechen hierbei eine Erleichterung. Sie können sowohl die Grundlage für als auch das Ergebnis von digital gestützter Lehrpraxis darstellen. Einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten zur Nutzung von OER in Lehrveranstaltungen bieten die Tandem-Fellowships von Prof. Dr. Sebastian Zug und Dr. Mark Jacob von der TU Bergakademie Freiberg sowie Prof. Dr. Christian Louter (TU Dresden) und Prof. Dr. Christian Wolf (HTW Dresden).

Welche Rolle spielen OER-Materialien in Ihrem Projekt? Sehen Sie OER eher als Grundlage oder als Ergebnis Ihres Projekts?

Prof. Louter und Prof. Wolf: Wir haben natürlich am Anfang geschaut, ob und welche OER im Bereich Glasbau existieren. Das ist nicht viel. Resultierend aus dem Bedarf, den wir hier – eigentlich weltweit – haben und den Erfahrungen des letzten Coronasemesters ist unsere Projektidee entstanden. Wir wollen aufwändige Glasbauteilprüfungen abfilmen, als Knowledge Clips aufbereiten und im Anschluss als OER zur Verfügung stellen. Die Clips werden zunächst in der sächsischen Community (wir haben mit Prof. Neger an der HTWK Leipzig und Frau Prof. Fuhrmann an der TU Bergakademie Freiberg noch zwei weitere kompetente Partner:innen) „gereviewt“ und in der Lehre erprobt. So wollen wir nicht nur die Qualität sicherstellen, sondern auch den flexiblen Einsatz in verschiedenen fachlichen und didaktischen Kontexten.

Prof. Zug und Dr. Jacob: Für das Training von fremdsprachlichen Präsentationsfertigkeiten nutzen wir beide Aspekte von OER-Materialien. Lehrende bereiten Unterlagen vor, die die Grundlagen, Beispiele und Analyse-Tools zusammenfassen. Diese integrieren zum Beispiel Tools um die Qualität von aufgezeichneten Präsentationen zu untersuchen und sprachliche Muster zu identifizieren. Auf der anderen Seite erstellen die Lernenden ihre Präsentationen auch als OER, wobei sie zum Beispiel durch Text-to-Speech Techniken unterstützt werden. Die Studierenden lernen die Chancen des OER-Ansatzes somit als Konsument:innen und Autor:innen gleichermaßen kennen.

Prof. Dr. Louter und Prof. Dr. Wolf, wie wird die Passfähigkeit der Knowledge Clips zu den Anforderungen der sehr unterschiedlichen Veranstaltungen sichergestellt? Inwiefern kann Feedback in die Weiterentwicklung der Knowledge Clips einfließen?

Prof. Louter und Prof. Wolf: Das ist ein Teil des Projektes auf den wir uns sehr freuen. Passfähigkeit kann letztlich nur hergestellt werden, indem wir in einen intensiven Austausch über unsere Curricula und Lehransätze gehen. Das läuft aktuell schon in hybriden Workshops/Arbeitstreffen. Die Idee ist es, den Kreis immer weiter zu ziehen, d. h. erst begutachten wir die Clips als Lehrende untereinander. Über die direkte Einbindung in unseren Lehrveranstaltungen kann im zweiten Schritt auch das Feedback der Studierenden eingefangen werden. Ob wir hierfür dann spezielle technische Tools nutzen (über die gängigen Lehrwerkzeuge wie OPAL, ZOOM und Co hinaus), werden wir dann sehen.

Prof. Dr. Sebastian Zug und Dr. Mark Jacob, was kennzeichnet aus Ihrer Sicht gute „interaktive OER Materialien“?

Prof. Zug und Dr. Jacob: Wir arbeiten seit längerem daran, die Brücke zwischen interaktiven, intuitiv nutzbaren und offenen Lehrmaterialien zu schließen. Interaktiv bedeutet häufig, dass der Autor über entsprechende Programmiererfahrung verfügen muss, sofern er individuelle dynamische Elemente integrieren möchte. Gut bedeutet also in diesem Zusammenhang, dass die Features einfach nutzbar sind, gleichzeitig aber die Möglichkeit offensteht, eigene, ggf. komplexe Inhalte zu ergänzen. Unser Projekt ist dafür ein schönes Beispiel, die entwickelten Tools für die Integration von Videos und deren textbasierte Nachvertonung sind webbasiert und können in eigene Kursmaterialien ohne Aufwand integriert werden.

Welche Plattformen nutzen Sie für die Bereitstellung der OER-Materialien und warum?

Prof. Louter und Prof. Wolf: Während des Projekts OPAL. Wenn die Clips dann finalisiert und wir uns unserer Sache sicher sind, planen wir eine Veröffentlichung auf YouTube – einfach um eine größere Reichweite zu erzielen und die sächsischen Hochschulen auch international zu platzieren.

Prof. Zug und Dr. Jacob: Unsere Arbeiten basieren auf der im Rahmen eines BMBF Projektes entstandenen Beschreibungssprache LiaScript. Diese erlaubt die Umsetzung dynamischer Webseiten anhand einfacher Textdokumente. Der Browser des Lernenden übernimmt die „Interpretation“ und Darstellung. Damit können die Materialien sehr einfach über einen Link verbreitet werden. Die Kurse werden zudem auch über webbasierte Versionsmanagementtools angeboten, die es den Lehrenden erlauben, Verbesserungsvorschläge oder Ergänzungen einzureichen.

An welcher Stelle erleichtern Ihnen die OER-Materialien Ihre Arbeit?

Prof. Louter: Wir haben an der TU Dresden ein (ost-)deutschlandweit einzigartiges Glasbaulabor, das Friedrich-Siemens-Labor. Hier können wir aufwändige Bauteilprüfungen durchführen – sowohl im Rahmen unserer Forschungsprojekte als auch für Industriepartner. Für Studierende und Forschende ist das eine großartige Sache. Es ist einfach etwas Anderes, ob man die Bruchbilder/das Bruchverhalten nur im Lehrbuch anschaut oder selbst ausprobieren und analysieren kann. Im Labor sind die Kapazitäten ohnehin schon beschränkt. Durch Corona hat sich die Zugangsmöglichkeit noch einmal verringert. Über die Videos wollen versuchen, das abzufangen. Vorlesungen online anbieten ist recht einfach. Inwieweit man auch Praktika und Experimente virtualisieren kann, werden wir in den nächsten Wochen einfach mal ausprobieren. Wie schon angedeutet, möchten wir über das Thema OER auch einen fachlich-curricularen Austausch initiieren. So ergeben sich sicherlich weitere Punkte für eine hochschulübergreifende Zusammenarbeit.

Prof. Wolf: Bei uns an der HTW Dresden wird das Thema Glasbau durch eine Kollegin der TU Dresden abgedeckt. Einerseits ist dieser Wissenstransfer sehr hilfreich, andererseits tauchen in diesem Zusammenhang auch urheberrechtliche Unsicherheiten auf. Durch das Projekt hoffen wir, diese Unsicherheiten langfristig auszuräumen.

Prof. Zug und Dr. Jacob: Die Rückmeldungen aber auch die konkreten Vorschläge zur Adaption der Materialien durch Lernende unterstützt die permanente Weiterentwicklung und Reflexion der Materialien. Die Studierenden setzen sich intensiver mit den Materialien auseinander und können eigene Spuren hinterlassen.

Gibt es darüber hinaus auch Fallstricke, die Sie beachten müssen?

Prof. Louter und Prof. Wolf: Eine zentrale Frage, mit der sich keiner von uns bis jetzt beschäftigt hat, ist das Thema Barrierefreiheit der Videos. Das haben wir auf dem Schirm und zählen auch dabei auf die Expert:innen an unseren jeweiligen Hochschulen.