Soziologische Wirklichkeitskontrolle
Dr. Patrick Wöhrle
Di., 16.40-18.10 (6. Doppelstunde)
HSZ 301
Sonderlösung für die Vorlesung "Geschichte der Soziolologie II"
Inhalt, Kommentar
Helmut Schelsky, einer der umstrittensten, aber auch einflussreichsten Soziologen der unmittelbaren (bundes-)deutschen Nachkriegszeit, begriff in seiner„Ortsbestimmung der Soziologie" eine normativitätsentlastete „Wirklichkeitskontrolle“ als vornehmste Aufgabe dieser Wissenschaft und grenzte sie von „Gesinnungssoziologie“ einerseits und „Sozialplanung“ andererseits ab. Das Seminar arbeitet zunächst den komplexen wissenschaftstheoretischen Gehalt dieser Bestimmungen heraus und rekonstruiert dabei auch deren mentalitäts- und disziplingeschichtlichen Kontext (u.a. nazistische Zerstörung autonomer Wissenschaft, Einfluss der US-amerikanischen Soziologie, reeducation, Aufstieg der empirischen Sozialforschung, Positivismusstreit). Daran anschließend wird an konzentrierten Einzelstudien – u.a. zu Familie, Jugend, Sexualität, Religion, Alter, Erziehung, Bürokratie – veranschaulicht, welche Gestalt ein solches Soziologieverständnis in der Forschungspraxis der 1950er und 1960er Jahre annahm. Schließen wird das Seminar mit einer Lektüre des frühen Niklas Luhmann, dessen Programm einer „Abklärung über Aufklärung“ disziplin- und schulgeschichtlich ebenfalls in der Tradition von Schelskys Wirklichkeitskontrolle verortet werden kann.