Dr. Prokić: F for Freud

TU Dresden | Wintersemester 2018 / 2019 Dr. Prokić: F for Freud

Zeit: Mi (4/5), 14-tägig

Ort: BSS/E49

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Kommentar:

1974 erscheint Orson Welles’ letzter Film. F for Fake, eine Art Dokufiktion, läutet die filmische Postmoderne ein, indem die Grenzen zwischen Fakten und Fiktion ebenso verwischt wie die Parameter der Wahrheitsfindung verunsichert werden. Mit F for Fake gelingt es Welles, eine an den Idealen der Autonomieästhetik orientierte Auffassung von Originalität und Individualität, die allein für die Produktion von Kunst maßgebend scheint, als eine an unsere Erwartungshaltungen und Gewohnheiten gekoppelte vorzuführen. Orson Welles fordert sein Publikum dazu auf, die Vorstellungen von Souveränität und Individualität preiszugeben, um auf den performativen und narrativen Charakter bei der Verfertigung von Fakten zu blicken. Nichts Anderes hat Sigmund Freud mit seiner Psychoanalyse unternommen, jedoch mit weit größerem Effekt. Er ist Stichwortgeber sowie Feind der literarischen Moderne. Seine Werke lieferten der Literatur nicht nur neue Gegenstandsbereiche, sie forderten geradezu zu einer Revision des literarischen Psychologismus heraus. Im Seminar wollen wir uns einen Überblick über Freuds Werk verschaffen und nachvollziehbar machen, wie der historische Freud produktive Impulse für die Literatur gesetzt hat, wo er Deutungsverfahren der Literaturwissenschaft antizipiert und wo eine Absetzung von seiner Terminologie dringend notwendig ist. Obwohl teilweise vollkommen zurecht zahlreiche Ressentiments gegen eine psychoanalytische Literaturwissenschaft bestehen, sollen im Seminar Grundkenntnisse der Freud’schen Begriffe, sowie seiner Reflexionen über Kunst, Kultur, Literatur und die Psyche erworben werden. So wollen wir etwa das kulturgeschichtliche Phänomen des Inzestverbots in Totem und Tabu (1913) verstehen. Seine Begriffe „Wiederholungszwang“ und „Todestrieb“ in Jenseits des Lustprinzips (1920) nachvollziehen. Das Verhältnis von Masse und Individuum, wie es Freud in Massenpsychologie und Ich-Analyse (1921) dargelegt hat, in Relation zu seinen Beobachtungen zur Kultur und Ich-Psychologie in den Texten Das Ich und das Es (1923) und Das Unbehagen in der Kultur (1930) verstehen. Gerade für die Literaturwissenschaft gelten insbesondere seine Ausführungen zum Unheimlichen (1919) und zum Witz (1905) als Klassiker, die zumindest eine partielle Auseinandersetzung mit Freuds Werk unabdingbar machen.

 Über 100 Jahre später zählt Sigmund Freuds Werk zu jenen, die zu den großen Kränkungen des Menschen beigetragen haben. Diese Kränkung ist bis heute weder geheilt noch ist die Quelle an unerschöpflicher Kreativität, die diese Kränkung freigelegt hat, versiegt. Denn die Rede vom „Ich“, das im eigenen Haus nicht (mehr) Herr ist, hat den Rechtsdiskurs ebenso wie die Kunst, die klinische Pathologie wie die Literatur, die Ökonomie wie das Erziehungssystem nachhaltig verändert.

 

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