Zweck-Mittel-Vertauschungen in Organisationen

Institut für Soziologie | Sommersemester 2019 Zweck-Mittel-Vertauschungen in Organisationen

Rolf Nichelmann
Mo., 9.20-12.40 Uhr (2.+3. DS)
Termine: 01.04. (nur 2. DS), 08.04. (nur 2. DS), 15.04 (nur 2. DS), 29.04., 06.05., 20.05., 27.05, 17.06.
Raum: GER/51
Beginn 01.04.2019

Inhalt, Kommentar

Organisationen stellen sich gerne als Horte der Rationalität dar, in denen die Mitglieder unter gemeinsamer Aufbietung ihres Könnens Zwecke verfolgen. Tatsächlich ist es aber keineswegs so, dass Organisationen wie sorgsam koordinierte Zielerreichungsmaschinen funktionieren. Denn wo immer gearbeitet, organisiert und gemanagt wird, entstehen mit fast schon beängstigender Zuverlässigkeit unbeabsichtigte Nebenfolgen, so dass das, was in Organisationen stattfindet, regelmäßig von dem abweicht, was geplant wurde. Unter den Mechanismen, die solche Abweichungen des Ist-Zustands vom Soll-Zustand hervorbringen, ist die sog. Zweck-Mittel-Vertauschung einer der interessantesten. Zweck-Mittel-Vertauschungen treten auf, wenn Verfahren oder Regeln, die zunächst als Mittel zur Erreichung eines Organisationszwecks eingeführt wurden, sich verselbständigen und zu einem Selbstzweck werden. Gerade bestimmte Anreizsysteme und ein „management by numbers“ können in Organisationen zu einer „Verzweckung der Mittel“ (Niklas Luhmann) führen. Dabei lassen sich solche Effekte in Unternehmen ebenso beobachten wie in Krankenhäusern, Universitäten, Vereinen und bei der Polizei.

Anhand von Fallstudien aus der Organisationsforschung soll zunächst erarbeitet werden, unter welchen Bedingungen Zweck-Mittel-Vertauschungen in Organisationen auftreten und welche Typen von Zweck-Mittel-Vertauschungen sich unterscheiden lassen. Im Weiteren werden wir versuchen herauszuarbeiten, was es für die soziologische Beschreibung von Organisationen heißt, wenn diese nicht mehr, wie etwa noch von Max Weber, als rationaler Zweckverband beschrieben werden können.

Teilnahmevoraussetzungen
Notwendige Teilnahmevoraussetzungen

Erfolgreiche Teilnahme am Modul PhF-Soz-BA-AM2 Soziologische Theorien II
Erfolgreiche Teilnahme am Modul PhF-Soz-BA-AM4 Makrosoziologie
Bereitschaft, sich auf Grundlage der Seminarliteratur intensiv auf die Sitzungen vorzubereiten
Bereitschaft, sich auf kleine schreibdidaktische Übungen einzulassen

Empfohlene Teilnahmevoraussetzungen

Interesse an der Entwicklung eigener organisationsbezogener Fragestellungen

Literaturangaben
Exemplarische Fallstudien

Messinger, Sheldon L. (1955): Organizational Transformation: A Case Study of a Declining Social Movement, American Sociological Review 20(1), 3-10. DOI: 10.2307/2088192
Scott, Robert A. (1967): The Factory as a Social Service Organization: Goal Displacement in Workshops for the Blind, Social Problems 15(2), 160-175. DOI: 10.2307/799510

Klassiker zum Thema Zwecke und Organisationen

Luhmann, Niklas (1968): Zweckbegriff und Systemrationalität. Über die Funktion von Zwecken in sozialen Systemen. Tübingen: Mohr.
Selznick, Philip (1949): TVA and the Grass Roots. A Study in the Sociology of Formal Organization. Berkeley, CA: University of California.

Grundlagenliteratur

Bonazzi, Guiseppe (2014): Geschichte des organisatorischen Denkens, 2. Aufl., hrsgg. von Veronika Tacke, Wiesbaden: Springer VS. DOI: 10.1007/978-3-658-02506-9

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