E-Learning-Mythen

E-Learning-Mythen

Der unüberlegte Einsatz von digitalen Medien in der Lehre führt oft nicht zum erwünschten Ergebnis und damit zu einer geringen Akzeptanz bei den Lernenden. Die Enttäuschung über erste misslungene Gehversuche wandelt sich rasch in E-Learning-Mythen um, die sich schnell verbreiten und noch immer in den Köpfen stecken.1 Hier finden Sie eine Übersicht der häufigsten Mythen zum Thema E-Learning. Prüfen Sie sich selbst: Haben Sie sich bisher auch von dem ein oder anderen Mythos täuschen lassen?

Mythen zu Anforderungen und Aufwand beim E-Learning-Einsatz

“E-Learning? – Da kann ich ja einfach meine analogen Inhalte digitalisieren!” So einfach funktioniert es leider nicht, denn effektive Lehre mit digitalen Medien erfordert ein entsprechendes didaktisches Setting. Es ist nicht ausreichend, bestehende Inhalte einfach zu digitalisieren, denn ein sinnvoller Medieneinsatz sollte auch mit einer Veränderung der Lehre einhergehen. Vor dem Einsatz digitaler Medien sollten Sie sich also Gedanken über eine sinnvolle didaktische Einbindung in Ihre Lehre machen.2

“Bei E-Learning kommt es nur auf den Medieneinsatz an!” Beim E-Learning kommt es definitiv nicht auf den alleinigen Medieneinsatz an. Der Einsatz digitaler Medien entfaltet sein Potenzial erst mit einer entsprechenden didaktischen Aufbereitung. Diese ist sogar ziemlich unabhängig von den eingesetzten Medien.34

“Beim Einsatz digitaler Medien benötigt man immer die neuesten Technologien.” Der reine Einsatz von Technik bringt keine didaktischen Veränderungen in der Lehre. „Bildung kann, auch durch die beste Technik, nicht erzeugt werden, sondern sie kann nur ermöglicht werden.“5 Leider gab es bisher viele Projekte, die sich zu sehr auf den Technologieeinsatz statt auf zu lösende Lehrprobleme konzentriert haben. Viel entscheidender ist, wie die vorhandene Technik eingesetzt wird.67

“Ich verwende doch schon PowerPoint-Folien – das muss doch reichen!” Wenn in Ihrem Fall der Einsatz von PowerPoint-Folien didaktisch sinnvoll ist, dann gibt es vorerst keinen Grund etwas daran zu ändern. Bedenken Sie aber, dass nicht das verwendete Medium, sondern die didaktische Gestaltung im Vordergrund stehen sollte. Vielleicht haben Sie irgendwann den Bedarf Ihre Lehre anzupassen und werden dankbar über die vielfältigen Möglichkeiten sein, Ihre Lehre mit digitalen Medien abwechslungsreicher gestalten zu können.8

“Gutes E-Learning? – Das ist nur etwas für Experten!” Wahrscheinlich kennen Sie die großen Leuchtturmprojekte, die unter hohem Aufwand und mit viel finanzieller Förderung erstellt wurden. Diese Projekte sind aber nur Einzelbeispiele. Auch kleine Schritte, wie die Einbindung sinnvoll eingebetteter Medien, können genauso gutes E-Learning darstellen. Der didaktisch sinnvolle Einsatz der Medien ist wichtiger als eine aufwendige Produktion.9

“Das muss dann ja auch ansprechend gestaltet sein!” Die didaktische Gestaltung der Lehrveranstaltung und die sinnvolle Einbettung der digitalen Medien in diese sind entscheidender für den Lernerfolg, als die ästhetische Gestaltung der verwendeten Medien. Auf ein paar Details, wie gute Lesbarkeit und Übersichtlichkeit sollten Sie natürlich trotzdem achten. Mit wenigen kleinen Tricks und Kniffen können Sie Ihre Medien sehr leicht ansprechend und übersichtlich gestalten.10

“Alles digital – und sofort!” „Medieneinsatz ist dann am erfolgreichsten, wenn er den Präsenzunterricht ergänzt und nicht ersetzt.“11 Sie sollten also auf keinen Fall Ihre Lehre komplett auf digital umstellen (es sei denn das Lehr-/Lernsetting erfordert es). Stattdessen können Sie digitale Medien in Ihre Lehre integrieren, wobei es dabei weniger auf den Einsatz der digitalen Medien selbst als auf ihre sinnvolle didaktische Einbettung ankommt.

“Der Aufwand für Lehrende ist viel zu groß!” Die Erstellung, Auswahl und didaktisch fundierte Einbettung von Lehrmaterialien in die Lehre erfordert generell Aufwand, ganz egal ob Sie dafür digitale Medien verwenden oder nicht. Gute Lehre benötigt nun einmal Zeit! Eine gute Nachricht gibt es dennoch (für Lehrende in Sachsen): den Aufwand zur Erstellung digitaler Lehrmaterialien können Sie sich gem. §§ 3 Abs. 2 und 8 Abs. 5 DAVOHS anrechnen lassen.1213

“Der Aufwand für Studierende ist viel zu groß!” Der Einsatz digitaler Medien in der Lehre bedeutet nicht zwangsläufig einen höheren Aufwand für die Studierenden. Oft wird das aktive, selbstgesteuerte Lernen durch die Studierenden subjektiv als aufwendiger wahrgenommen, da auf Studierende im Vergleich zum reinen Frontalunterricht eine deutlich aktivere Rolle zukommt. Außerdem sind die Studierenden diesen Lehr-/Lernstil weniger gewohnt und traditionelle Methoden ermöglichen ein scheinbar bequemeres (Auswendig-)Lernen.14

Mythen zur Anwesenheit und Kommunikation der Studierenden

“E-Learning? – Dann kommt ja keiner mehr in die Vorlesungen!” Viele Lehrende haben Sorgen, dass bei einer Umstellung Ihrer Lehrveranstaltung auf viele digitale Inhalte der Hörsaal leer wird. Diese Sorge ist unbegründet, zumindest wenn die Lehrveranstaltung didaktisch sinnvoll umgebaut wird. Ein Vorteil von E-Learning ist, dass die reine Wissensvermittlung ausgelagert werden kann, sodass in der Präsenzzeit ein aktiver, produktiver Austausch mit den Studierenden stattfinden kann. Dieser Austausch sollte den Studierenden Anreiz genug sein, die Präsenzveranstaltung zu besuchen (statt sich passiv in einem Hörsaal „vorlesen“ zu lassen).15

“Wenn ich als Lehrender E-Learning erstelle, schaffe ich mich selbst ab!” Wenn Sie digitale Medien in der Lehre verwenden, schaffen Sie sich nicht selbst ab. Ihre Rolle als Lehrender verschiebt sich vom reinen Wissensvermittler hin zu einem Lernberater, der Hilfestellungen gibt und das Lernen begleitet. Ihre Aufgabe ist es dann, relevante Themen und Materialen zu finden, auf ihre Eignung für Ihre Lehre zu beurteilen, den Studierenden zur Verfügung zu stellen und im Lernprozess beratend und steuernd zur Seite zu stehen.

“Bei E-Learning fehlen die sozialen Kontakte und der Austausch unter den Lernenden!” Ganz im Gegenteil: Der Einsatz digitaler Medien in der Lehre bietet eine Vielzahl an Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeiten, die in der traditionellen Lehre so nicht denkbar wären. Wenn der Austausch durch eine didaktisch sinnvolle Einbettung der digitalen Medien in das Lehrkonzept gefördert wird, kann durch Kommunikation und Zusammenarbeit die soziale Interaktion gefördert werden.16

Mythen zum Lernerfolg bei E-Learning

“Mit E-Learning wird Lernen einfacher!” Leider kann nicht pauschal gesagt werden, dass E-Learning das Lernen einfacher macht. Lernen ist immer ein aufwendiger Prozess, der viel Aufmerksamkeit erfordert. Besonders alle Lernergebnisse, die über das reine Rezipieren von Lerninhalten hinausgehen, wie z.B. Erkenntnisprozesse und Kompetenzaufbau, erfordern sowohl viel Lern- als auch Lehraufwand. Dennoch können digitale Lernangebote die Lernorganisation vereinfachen, selbstorganisiertes sowie kooperatives Lernen unterstützen und eine hohe Flexibilität bieten.17

“Der Einsatz digitaler Medien sorgt für eine automatische Verbesserung der Lehre.” Der alleinige Einsatz digitaler Inhalte sorgt nicht für eine inhaltliche Verbesserung der Lehre. Wenn Sie sich für „neue“ Medien entscheiden, sind diese nicht zwangsläufig besser als die „alten“ Inhalte. Die didaktisch sinnvolle Einbindung der Medien in Ihr Lehrkonzept und Ihre Lehrmethoden bestimmen, wie erfolgreich der Einsatz von Medien in Ihrer Lehre ist.18

“Der Einsatz digitaler Medien in der Lehre sorgt für einen höheren Studienerfolg.” Um die Frage nach dem Studienerfolg zu beantworten, müsste zuerst untersucht werden, was Studienerfolg bedeutet. Ist Studienerfolg durch einen erfolgreichen Abschluss des Studiums (Note „ausreichend“) in der Regelstudienzeit, durch (sehr) gute Noten, Kompetenzaufbau im Studium oder durch die Karriere nach dem Studium definiert?19 Digitale Lernangebote können die Lernorganisation vereinfachen, selbstorganisiertes sowie kooperatives Lernen unterstützen und die Flexibilität im Studium erhöhen.20 Letztendlich ist „Lehren […] ein Angebot für Lernende; was sie aus dem Angebot machen, ist dadurch nicht determiniert und nur in Grenzen vorhersagbar.“21

Mythen zum Verhalten der Studierenden

“Studierende wollen digitale Medien in der Lehre.” Eine britische Umfrage unter 22.000 Studierenden ergab, dass diese sich nicht mehr sondern einen gezielteren Einsatz von digitalen Medien in der Lehre wünschen. Durch den Einsatz digitaler Medien befürchten Studierende, dass sich der direkte Austausch und die sozialen Interaktionen reduzieren würden. Den Studierenden kommt es also nicht auf den bloßen Einsatz von Medien sondern eine didaktisch sinnvolle Integration von Medien in die Lehre an, bei der die Kommunikation mit dem Lehrenden und anderen Studierenden erhalten bleibt.22

“Alle Studierende sind Digital Natives.” Die Mediennutzung von Studierenden ist, zumindest im Studium, eher konservativ. Nur wenige Studierende besitzen ausreichend Technikverständnis und Medienkompetenz, um die Vielfalt digitaler Medien optimal zu nutzen. Da die Studierenden Medienkompetenz in ihrer zukünftigen (Arbeits-)Welt benötigen, können Sie die Auseinandersetzung der Studierenden mit digitalen Medien im Lehrkontext gezielt fördern und beim Aufbau ihrer Medienkompetenz helfen.23

  1. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 112.
  2. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 83.
  3. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 84 u. 96.
  4. Vgl. Klimsa, P. (Hg.): Online-Lernen – Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2. Auflage, München 2011, S. 270.
  5. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 80.
  6. Vgl. Klimsa, P. (Hg.): Online-Lernen – Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2. Auflage, München 2011, S. 265.
  7. Vgl. Schulmeister, R.; Loviscach, J.: Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen, in: Leineweber, Ch.; de Witt, C. (Hg.): Digitale Transformation im Diskurs, Hagen 2017, S. 13.
  8. Vgl. Schulmeister, R.; Loviscach, J.: Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen, in: Leineweber, Ch.; de Witt, C. (Hg.): Digitale Transformation im Diskurs, Hagen 2017, S. 10.
  9. Vgl. Schulmeister, R.: eLearning: Einsichten und Aussichten, München 2006, S. 256.
  10. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 111.
  11. Schulmeister, R.; Loviscach, J.: Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen, in: Leineweber, Ch.; de Witt, C. (Hg.): Digitale Transformation im Diskurs, Hagen 2017, S. 13.
  12. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 102.
  13. Vgl. Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst: Strategie zur Digitalisierung in der Hochschulbildung, Dresden 2018, S. 11. Abrufbar unter PDF: Strategie zur Digitalisierung in der Hochschulbildung
  14. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 101.
  15. Vgl. Petko, D.: Einführung in die Mediendidaktik – Lehren und Lernen mit digitalen Medien, Weinheim und Basel 2014, S. 36f.
  16. Vgl. Klimsa, P. (Hg.): Online-Lernen – Handbuch für Wissenschaft und Praxis, 2. Auflage, München 2011, S. 41.
  17. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 96 u. 102.
  18. Vgl. Petko, D.: Einführung in die Mediendidaktik – Lehren und Lernen mit digitalen Medien, Weinheim und Basel 2014, S. 44.
  19. mehr dazu im PDF: Handbuch Studienerfolg vom Stifterverband
  20. Vgl. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 96.
  21. Kerres, M.: Mediendidaktik – Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote, 4. Auflage, München 2013, S. 80.
  22. Vgl. Schulmeister, R.; Loviscach, J.: Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen, in: Leineweber, Ch.; de Witt, C. (Hg.): Digitale Transformation im Diskurs, Hagen 2017, S. 5.
  23. Vgl. Schulmeister, R.; Loviscach, J.: Mythen der Digitalisierung mit Blick auf Studium und Lernen, in: Leineweber, Ch.; de Witt, C. (Hg.): Digitale Transformation im Diskurs, Hagen 2017, S. 2-5.