Seminar Moderne Demokratietheorien: Abolition Democracy SoSe 2023

TU Dresden | Sommersemester 2023 Seminar: Moderne Demokratietheorien: Abolition Democracy SoSe 2023

Dr. Daniel James

Dienstag (5) 14.50-16.20 Uhr

GER/39

 

Erste Sitzung: 11 April 

 

POL-GAM-THEO
POL-KAM-THEO
POL-PM-THEO 

PHF-SEMS-GK-07
PHF-SEGY-GK-07
PHF-SEBS-GK-07
PHF-SEBS-GK-17

 

In seinem einflussreichen Buch Black Reconstruction in America prägte der Soziologe, Historiker, Philosoph und Bürgerrechtler W.E.B. Du Bois den Begriff ‚Abolition Democracy‘, um eine Gesellschaft zu beschreiben, in der auf die Abschaffung der Sklaverei eine Umgestaltung des Staates und die Einführung der vollen Bürgerrechte für Schwarze Menschen folgte. Ein solcher Wandel war ihm zufolge notwendig, um das Wiederaufleben rassisti- scher Unterdrückung in neuen Formen wie den Jim Crow-Gesetzen, zu verhindern. Für Du Bois war ‚Abolition Democracy‘ nicht nur eine Sache der Abschaffung der Sklaverei, sondern auch um die Schaffung einer wahrhaft demokratischen Gesellschaft, an der alle Menschen uneingeschränkt teilhaben konnten. An diese Idee knüpft Angela Davis in ihrem Buch Abolition Democracy an, um sie auf gegenwärtige Kämpfe für die Abschaffung des sogenannten gefängnisindustriellen Komplexes zu übertragen. Sie argumentiert, dass Abolition Democracy eine grundlegende Umgestaltung unserer sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme erfordert, einschließlich der Schaffung neuer Formen gemein- schaftsbasierter Gerechtigkeit und der Bereitstellung von Ressourcen und Möglichkeiten für alle Menschen.

Durch Davis‘ Buch hat Du Bois‘ Idee der ‚Abolition Democracy‘ in den letzten Jahren wieder an Popularität gewonnen. Seither wird sie von einer Vielzahl von Theoretiker:innen und Aktivist:innen aufgegriffen, weiterentwickelt und auf gegenwärtige Verhältnisse bezogen. Neben Davis gehören hierzu so prominente Autor:innen wie Ruth Wilson Gilmore, Michelle Alexander und Mariame Kaba. Der Kerngedanke der ‚Abolition Democracy‘, wie er von all diesen Autor:innen erörtert wird, besteht darin, dass der Kampf für die Abschaffung unterdrückerischer Institutionen wie der Sklaverei und des gefängnisindustriellen Komplexes nicht nur auf die Beseitigung dieser Institutionen abzielt, sondern auf die Schaffung einer gerechteren Gesellschaft. Diesem Gedanken liegt die Diagnose zugrunde, dass jene Institutionen nicht bloße Fehlentwicklungen, sondern vielmehr tief in den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen der Gesellschaft verankert sind. ‚Abolition Democracy‘ läuft damit auf eine umfassende Vision von sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit hinaus, die nicht nur die Abschaffung unterdrückerischer Institutio- nen, sondern die Schaffung neuer sozialer und wirtschaftlicher Strukturen erfordert, die den Interessen marginalisierter Gruppen Vorrang einräumen. Darüber hinaus erfordert diese Vision einen grundlegenden Wandel in der Weise, wie wir über Gerechtigkeit denken: weg von strafenden und vergeltenden Ansätzen und hin zu wiederherstellenden und transformativen Ansätzen, die versuchen, die Grundursachen von sozialer Ungleichheit und Unterdrückung anzugehen. Als solches ist die Idee der ‚Abolition Democracy‘ auch zu einem Schlüsselbegriff in zeitgenössischen Bewegungen für soziale Gerechtigkeit geworden.

In diesem Seminar werden wir zunächst Du Bois' und Davis' ursprüngliche Behandlung der ‚Abolition Democracy‘ diskutieren und daraufhin nachvollziehen, wie ihre Ideen die heutigen Debatten über Masseninhaftierung, Antirassismus und demokratische Teilhabe beeinflusst haben. Dabei werden wird uns auch mit einigen anderen zentralen Autor:innen befassen, die an ihr Denken angeknüpft haben, darunter Michelle Alexander, Ruth Wilson Gilmore und Mariame Kaba. Dabei werden wir die Implikationen der Idee der ‚Abolition Democracy‘ für den europäischen und insbesondere den deutschen Kontext diskutieren.

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