7. Zittauer Gespräche
7. Zittauer Gespräche zur Wirtschafts- und Unternehmensethik
12.-13. Oktober 2012
"Marketing, Konsum und Verantwortung"
Kaum ein anderer Bereich der Wirtschaft ist in unserer sozialen Umwelt derart allgegenwärtig wie das Marketing, das uns vor allem als Werbung gegenübertritt. Zwar erstreckt sich Werbung nicht nur auf die Beeinflussung des Konsumverhaltens, sondern dient ebenso der Information der Verbraucher, ruft zu wohltätigen Spenden auf oder verfolgt soziale Anliegen.
Doch ist es gerade der Bereich der (kommerziellen) Werbung, gegen den vielfältige moralische Einwände erhoben werden. So würde insbesondere die Werbung eine materialistische Wertekultur befördern, zentrale gesellschaftliche Werte, wie Familie oder Gemeinschaft bedrohen und Sitte, Sprache und Geschmack „verrohen“ lassen (Murphy et al. 2005). Zwar mag es mitunter schwierig sein, einzelne Werbepraktiken tatsächlich auf diese Wirkung hin zu beurteilen, da Werbebotschaften letztlich kulturabhängig unterschiedlich wahrgenommen und gedeutet werden. Dennoch lässt sich kaum bestreiten, dass es das erklärte Ziel des Marketing und insbesondere der Werbung ist, Konsumverhalten zu beeinflussen und den Kunden stetig zum Kauf immer neuer Produkte „zu überreden“ (Brenkert 2008). Damit ist das Marketing letztlich mitverantwortlich für die Konsumgewohnheiten einer „Wegwerfgesellschaft“ und die damit einhergehende Naturvernutzung.
Auch spiegelt der in den Werbebotschaften vermittelte „Lifestyle“ selten die tatsächlichen gesellschaftlichen Verhältnisse oder Problemlagen wider und hat oftmals wenig mit den Produkten selbst zu tun. Vielmehr geht es darum, ein spezifisches Markenimage zu erzeugen, das dem Konsumenten eine Zugehörigkeit zu den von ihm bewunderten sozialen Gruppen vermitteln soll. Besondere Brisanz gewinnt dies, wenn sich Werbung an Zielgruppen wendet, die aufgrund nur unzureichender Erfahrung mit Werbung („market illiterates“) besonders anfällig für die mit diesen Produkten verknüpften Werbebotschaften sind und die die Folgen des Konsums derartiger Produkte nicht adäquat einschätzen können. Das insbesondere in der Produktwerbung vermittelte Gesellschaftsbild ist daher keinesfalls nur das idealisierte Bild einer jungen, dynamischen und erfolgreichen Gesellschaft, sondern schließt sozial nicht zuletzt auch jene aus, die diesem Bild nicht genügen und am Konsum nicht partizipieren können.
Jedoch wäre es bei weitem zu einseitig, wollte man den Verbraucher alleine als Opfer der Werbewirtschaft sehen. Dies zum einen deshalb, da es ja nicht zuletzt der Verbraucher ist, der sich mit einem spezifischen „Lifestyle“ identifiziert und so den Erfolg einer Werbekampagne überhaupt erst ermöglicht. Zum anderen aber orientieren sich Marketing und Werbung selbst an den gesellschaftlichen Strömungen und Werthaltungen und sind so in gewisser Weise auch der Ausdruck des Zeitgeists einer bestimmten Gesellschaft (Laczniak 1998).
Besondere Bedeutung gewinnt so die Frage nach dem „mündigen Konsumenten“, der in der Lage ist, die Folgen seines Konsumverhaltens für Gesellschaft und Umwelt zu beurteilen, und seine Kaufentscheidungen an persönlichen Wertvorstellungen orientiert. Insbesondere innerhalb der Sozialwissenschaften wird ein derartiges sozial- und umweltbewusstes Käuferverhalten unter dem Stichwort „ethischer“ (Harrison et al. 2005) oder „politischer“ (Micheletti 2010) Konsum untersucht. Ziel des „politischen Konsumenten“ ist es, auf Basis ethischer oder politischer Überzeugungen zwischen den Produkten verschiedener Hersteller zu wählen mit dem Ziel, durch seinen Kaufakt Einfluss auf die jeweilige Unternehmenspolitik oder die institutionellen Strukturen der Hersteller zu nehmen (Kneip 2009). Allerdings zeigen zahlreiche empirische Studien, dass eine derartige Politik mit dem Einkaufswagen bisher noch die Ausnahme ist. Zwar gaben die meisten der zu diesem Thema Befragten an, dass ökologische und soziale Aspekte in Produktion und Vertrieb wichtige Kriterien für ihre Kaufentscheidung bilden. Jedoch zeigt das tatsächliche Kaufverhalten, dass sich die meisten Konsumenten auch weiterhin vor allem an Preis und Marke orientieren (Devinney et al. 2011).
Damit aber ergibt sich insbesondere für jene Unternehmen, die sich darum bemühen, Kriterien der Umweltverträglichkeit in ihrer Produktion oder soziale Aspekte bei der Auswahl ihrer Zulieferbetriebe mit zu berücksichtigen, ein Problem. Denn letztlich hängt der Erfolg dieser Bemühungen von der Akzeptanz ihrer Produkte am Markt ab. Nur dann, wenn der Verbraucher bereit ist, die Kosten dieser Bemühungen der Unternehmen auch durch einen Preisaufschlag zu honorieren, können es sich Unternehmen langfristig leisten, soziale und ökologische Gesichtspunkte in ihrer Unternehmenspolitik stärker als bisher zu berücksichtigen. Damit stellt sich auch die Frage, welche Verantwortung dem Verbraucher, verstanden als „mündiger Konsument“, im Rahmen seiner Kaufentscheidung zugesprochen werden muss (Heidbrink et al. 2011).
Vor diesem Hintergrund wollen wir im Rahmen der 7. Zittauer Gespräche zur Wirtschaftsund Unternehmensethik grundlegende Themen im Spannungsfeld von Marketing, Konsum und Verantwortung diskutieren. Mögliche Themenfelder hierbei sind:
Marketing und Werbewirtschaft:
• Verantwortung der
Werbewirtschaft
• Wahrheit und Wahrhaftigkeit in der
Werbung
• Diskriminierung und Rollenbilder in der Werbung
• Illegitime Werbepraktiken (Fear Appeals, Buzz Marketing)
• Elektronische Medien, Datenspeicherung und Datenschutz
Produzentenverantwortung:
• Produktpolitik und
Produktsicherheit
• Verantwortung in der Lieferkette
• Vermarktung kontroverser Produkte („sin
products“)
• Markenpiraterie und Konsumentenschutz
• Product Stewardship
Nichtregierungsorganisationen und Verbände:
• Rolle von
Verbraucherschutzverbänden und Verbraucherschutzbestimmungen
• Bedeutung und Aussagekraft von Gütesiegeln
• Verbraucherboykott und Verbraucherproteste
•
Kooperation von Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen
• Leistungsfähigkeit von Brancheninitiativen (BSCI,
FSC, MSC etc.)
Konsumentenverantwortung:
• Mitverantwortung der
Konsumenten
• Konsumentenrechte- und Konsumentenpflichten
• Kaufverhalten und ethischer Konsum
•
Möglichkeiten und Grenzen ethischen Konsums
•
Einflussmöglichkeiten des „Consumer Citizen“
7. Zittauer Gespräche
nur für Tagungsteilnehmer