SOZIALPALAST – öffentlich Wohnen
öffentlich Wohnen
SOZIALPALAST – öffentlich Wohnen
Wintersemester 2021/22 – Diplom / 3. Hauptentwurf / Vertiefungsentwurf
Der Begriff des Sozialpalasts ist grammatikalisch gesehen ein Kompositwort, das sich aus „sozial“ und „Palast“ zusammensetzt. Die Grundbedeutungen beider Worte lassen sich als nahezu gegensätzlich beschreiben.
Der Begriff des Palasts geht auf den Palatin, einen der sieben Hügel Roms, zurück. Als bevorzugter Wohnort derrömischen Herrscher und Kaiser wird der Palatin seit der römischen Antike gleichbedeutend mit einerherrschaftlichen Residenz verstanden.
Davon ausgehend haben sich in vielen europäischen Sprachen die Begriffe Palast, Palais, Palazzo, Palace oderPalacio etabliert. All diese Begriffe meinen ein im städtischen Kontext gelegenenes Schloss. Im Deutschen ist auchder Begriff Stadtschloss üblich.
Das Adjektiv „sozial“ entstammt ebenfalls der lateinischen Kultur: socialis. Es wird im Alltag als etwas derAllgemeinheit Dienendes, Empathisches oder Gemeinnütziges verstanden.
Soziologisch ist der Begriff hingegen deutlich komplexer und setzt zunächst eine Gruppe von Menschen und ihreInteraktion miteinander voraus.
Der Begriff Sozialpalast vereint in sich somit das Herrschaftliche und das Soziale.
Durch anhaltende soziale und ökonomische Verdrängungstendenzen geraten ehemals als Rand- oder B-Lagen wahrgenommene Bereiche der Stadt in den Fokus von Menschen mit mittlerem bis niedrigem Einkommen, die ein neues Zuhause suchen. Ehemalige Gewerbeflächen, Bereiche entlang von Infrastrukturtrassen und besonders lärmbelastete Orte werden nun als Potentialflächen der städtischen Nachverdichtung wahrgenommen.
In solchen Bereichen beginnen derzeit neue Wohngebäude, neues Gewerbe und neue soziokulturelle Initiativen zu entstehen.
Das gezielte und planvolle Nachverdichten solcher Randquartiere im Sinne des sozialen Ausgleichs, des Erhalts der örtlichen Charakteristika und der Weiterentwicklung des genius loci werden dadurch immer mehr zu zentralen Aufgabenstellungen für Architekt*innen.
Eine weiter wachsende Stadt bedarf nicht nur neuer Wohngebäude für alle sozialen Schichten, sondern sie bedarf auch öffentlicher Orte, an dem die Stadtgesellschaft zusammenkommt und gesellschaftliche Teilhabe passiert.
Ziel eines Sozialpalastes soll es daher sein, diese beide Bedarfe in neuen Hybridbauten zusammenzudenken. Im Sinne des forschenden Entwurfs und der am Lehrstuhl vertretenden case study-Idee soll untersucht werden, wie öffentliche Nutzungen und das soziale Wohnen zusammengehen können und wie beide Nutzungsarten voneinander profitieren können.
Ganz im Wortsinne des Sozialpalasts soll das Großzügige, Herrschaftliche und Freigiebige eines Palasts mit dem Sozialen und gesellschaftlich Offenen komplementär gedacht werden.
Der Sozialpalast soll unmittelbar südlich des innerstädtischen Berlin-Neuköllns und des S-Bahn-Rings entstehen. Als Entwurfsgrundstück dient der im Jahr 2000 als Überdeckung der Autobahn A 100 errichtete Carl-Weder-Park.
Im und am knapp 1,7 km langen Park sollen an vier ausgewählten Orten bauliche Interventionen in Form von Sozialpalästen entstehen.
In den Sozialpalästen sollen die Schnittstellen zwischen dem Wohnen und dem Öffentlichen untersucht werden, die durch die Reduktion des privaten Wohnungsraums zu Gunsten der Gemeinschaft entstehen. Dazu sollen Funktionen des konventionellen Wohnungsprogramms so transferiert und aus dem üblichen Wohnungskontext gelöst werden, dass spezifische, öffentliche Nutzungen entstehen, die dem Quartier und der Gesellschaft dienen.
Neben den öffentlichen Funktionen ist in allen Palästen grundsätzlich hochverdichtetes Wohnen zu planen, das sich an den Grundsätzen des bezahlbaren, innovativen und nachhaltigen Bauens orientiert.
Je Grundstück wird eine öffentliche Nutzung vorgegeben, wobei die Grundstückswahl freigestellt wird.