Dynamische Beanspruchung
Spannungsberechnung
Eine Beanspruchung kann in folgende fünf Einzelbeanspruchung unterteilt werden:
Spannungs-Zeit-Verlauf
Um die dynamische Belastung für eine Konstruktion einschätzen und bewerten zu können, ist es wichtig den Spannungs-Zeit-Verlauf des Bauteils zu kennen. In der Realität sieht dieser meist unregelmäßig aus:
Allgemeiner Spannungs-Zeit-Verlauf
Dieser ist natürlich schwierig exakt vorherzusagen. Daher wird mit einem idealisierten, sinusförmigen Verlauf gerechnet. Hierbei können verschiedene Spannungswerte angegeben werden. Neben der Mittel- (σm) und Unterspannung (σu), sind vor allem die Ausschlag- (σa) und Oberspannung (σo) entscheidend für die allgemeine Spannungsberechnung.
Idealisierter Spannungs-Zeit-Verlauf
Smith Diagramm Zug Druck, gelbes Heft M2
Smith Diagramm Biegung, gelbes Heft M3
Smith Diagramm Torsion, gelbes Heft M4
Größeneinflussfaktor und Kerbwirkung Rauhigkeit, gelbes Heft N1
Kerbwirkung Absatz, gelbes Heft N2
Kerbwirkung Passfeder, Pressung und Bohrung, gelbes Heft N3
Mit Hilfe des Beanspruchungsverhältnisses κ κ=UnterspannungOberspannung=σuσo kann auch die Auschlagsspannung σa aus der Oberspannung σo berechnet werden: σa=1−κ2σo
Daraus ergeben sich die drei Sonderfälle für statische, schwellende und wechselnde Beanspruchung:
Sonderfälle im Spannungs-Zeit-Verlauf
Festigkeiten
Hinweis: Zur Unterscheidung von Spannungen und Festigkeiten, werden bei Spannungen kleine Buchstaben als Indizes verwendet, bei Festigkeiten hingegen große. Somit ist σo die Oberspannung und σO die Oberfestigkeit.
Im dynamischen Lastfall wird in Festigkeit und Gestaltfestigkeit unterschieden.
Übersicht der Festigkeiten im dynamischen Lastfall
Die Ober- und Ausschlagfestigkeit ist ein reiner Werkstoffkennwert und bauteilunabhängig. Sie gibt an wie resistent ein Werkstoff gegenüber der gewählten dynamischen Beanspruchung ist. Die Oberfestigkeit kann aus dem Smith-Diagramm (gelbes Heft M2-4) abgelesen werden. Anschließend wird über σi A=1−κ2σi O die Oberfestigkeit in die Ausschlagfestigkeit mit Hilfe des Beanspruchungsverhältnisses umgerechnet.
Die Ober- und Ausschlaggestaltfestigkeit ist eine Kombination aus Werkstoffkennwert und Bauteilgeometrie. Sie berücksichtigt dabei Kerben und Größeneinflussfaktoren. σi AG=φ1βi kσi A Der Größeneinflussfaktor φ1 berücksichtigt dabei, dass mit zunehmender Größe des Werkstückes, die Wahrscheinlichkeit einer Fehlstelle im Material steigt. Das heißt: mit zunehmender Größe sinkt die Festigkeit des Bauteils. Für die Abschätzung dieses Faktors hilft das Diagramm im gelben Heft auf Seite N1 (oben). Für Bau- und Vergütungsstähle ist dieser Wert immer ≤1.
Die Kerbwrikungszahl βi k fasst die Kerben des Bauteils zu einem Faktor zusammen. Mögliche Kerben können dabei sein:
- Kerbwirkung βO der Oberflächenrauhigkeit (gelbes Heft N1 unten)
- Kerbwirkung βk infolge eines sprunghaften Querschnittüberganges, z.B. an Wellenabsätzen (gelbes Heft N2)
- Kerbwirkung βk infolge von Keilverbindungen (gelbes Heft N3 oben)
- Kerbwirkung βk infolge von Passfedern (gelbes Heft N3 oben)
- Kerbwirkung βk infolge von Pressverbindungen (gelbes Heft N3 oben), oder
- Kerbwirkung βk infolge von Querschnittsschwächungen, wie z.B. durch eine Bohrung (gelbes Heft N3 unten)
Entgegen des Größeneinflussfaktors ist dieser Wert immer ≥ 1. Sollten mehrere Kerbwirkungsfälle in einem Querschnitt aufeinander fallen, so können die einzelnen Kerbwirkungszahlen folgendermaßen zusammengerechnet werden: βk=βk1+(βk2−1)
Teilsicherheiten
Ist die Gestaltfetsigkeit korrekt berechnet, kann nun mit Hilfe der Nennspannung, die Teilsicherheit gegenüber Dauerbruch berechnet werden: Si D=Bauteil−GestaltfestigkeitAusschlagspannung=σi AGσi a
Gesamtsicherheit
Falls mehr als eine Beanspruchungsart am Bauteil vorliegt, kann nun aus den Teilsicherheiten eine Gesamtsicherheit gegenüber Dauerbruch (D) berechnet werden: 1SF/B=√[1Sz,d D+1Sb D]2+[1Ss D+1St D]2
Hierbei stehen die Indizes z,d für Zug oder Druck, b für Biegung, s für Scherung und t für Torsion.
Üblicherweise sollten die Sicherheiten gegenüber Dauerbruch (dynamisch) zwischen 1,5 und 2 liegen: SD≥1,5...2
Diese allgemeinen Forderungen können je nach Konstruktion und Anforderungen abweichen.
Beispielaufgabe
Beispielaufgabe inkl. kritischer Querschnitt
Eine Welle aus E295 wird mit einem schwellendem Torsionsmoment von 430 Nm belastet. Es soll die Sicherheit gegenüber Dauerbruch im gekennzeichneten Querschnitt (d=35 mm) berechnet werden. Das Biegemoment an diesem Querschnitt beträgt 380 Nm.
Wie schätzen Sie die berechnete Sicherheit ein?
Lösung
Es ist das obere Torsionsmoment Mto=430 Nm, das obere Biegemoment Mbo=380 Nm und der Durchmesser d=35 mm gegeben. Zudem kann aus der Formulierung der Aufgabenstellung ein Beanspruchungsverhältnis von κt=0 ("schwellend" in Bezug auf die Torsion) und κb=-1 (sich drehende Wellen haben immer Umlaufbiegung) heraus gelesen werden.
Widerstandsmomente
Mit Hilfe des Durchmessers, lassen sich die zwei Widerstandsmomente berechnen: Wb=πd332=π⋅(35mm)332=4209mm3 Wt=πd316=π⋅(35mm)316=8418mm3
Ausschlagspannungen
Somit können nun die Ausschlagspannungen berechnet werden: σba=1−κb2⋅MboWb=1−(−1)2⋅380Nm⋅1000mmm4209mm3=90,28Nmm2 τta=1−κt2⋅MtoWt=1−02⋅430Nm⋅1000mmm8418mm3=25,54Nmm2
Ausschlagfestigkeiten
Aus dem Smith-Diagramm auf Seite M3 und M4 werden die Oberfestigkeiten abgelesen: σbO=245 N/mm² und τtO=194 N/mm². Daraus können die Ausschlagfestigkeiten berechnet werden: σbA=1−κb2⋅σbO=1−(−1)2⋅245Nmm2=245Nmm2 τtA=1−κt2⋅τtO=1−02⋅194Nmm2=97Nmm2
Ausschlaggestaltfestigkeiten
Nun wird der Größeneinflussfaktor aus dem gelben Heft Seite N1 mit φ1=φ11=0,82 und anschließend die Kerbwrikungszahlen für die Passfeder (gelbes Heft N3) mit βkb=1,8 und βkt=1,5 bestimmt.
Damit gilt für die Ausschlaggestaltfestigkeiten: σbAG=φ1βkb⋅σbA=0,821,8⋅245Nmm2=111,61Nmm2 τtAG=φ1βkt⋅τtA=0,821,5⋅97Nmm2=53,03Nmm2
Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch
Anschließend können die Teilsicherheiten für Biegung und Torsion berechnet werden: SbD=σbAGσba=111,61Nmm290,28Nmm2=1,24 StD=τtAGτta=53,03Nmm225,54Nmm2=2,08
Mit diesen Teilsicherheit folgt dann für die Gesamtsicherheit: SD=√SbD2⋅S2tDS2bD+S2tD=1,1
Die Sicherheit ist nur knapp größer als 1. Das heißt, das Bauteil hält den Belastungen rein rechnerisch knapp stand, es sind aber keine weiteren Sicherheiten vorhanden. Zudem wurde mit gemittelten Kerbwirkungszahlen gerechnet. Besser wäre es, wenn bei dynamischen Belastungen die Sicherheit gegenüber Dauerbruch in etwa 1,5...2 betragen würde.
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