Mit digitalen Tandem-Portfolios Studierende in den fremden Studiersprachen Deutsch und Russisch unterstützen

Mit dem digitalen Tandem-Portfolio kooperieren das Sprachenzentrum und das Institut für Slavistik in drei ausgewählten Lehrveranstaltungen 30-SPZ-TANDEM Sprachenlernen im Tandem (Sprachenzentrum) und
04-050-1505-GYM/04-888-2004 Russisch IV (Institut für Slavistik), indem die Studierenden in Tandem-Sprachpartnerschaften gemeinsam an ihren Lern- und Studiersprachen Deutsch und Russisch arbeiten. Dabei nehmen Studierende abwechselnd die Rolle der Lernenden und der Sprachexpert:innen ein.
Das Tandem-Prinzip von kooperativem und selbstgesteuertem Lernen wird mit einem sprachensensiblen individuellen Beratungsansatz verbunden, indem Lernberater:innen die Fremdsprachenkompetenzen beider Tandem-Partner:innen auf das individuelle Studienprofil und die spezifischen Bedürfnisse bezogen begleiten und fördern.
Im digitalen Tandem-Portfolio werden Aufgaben aus den Studieninhalten heraus entwickelt und gemeinsam bearbeitet. Im Modul 30-SPZ-TANDEM ist ein Portfolio bereits Prüfungsleistung, das Tandem-Portfolio kann daher direkt in die Bewertung eingehen.
Mit dem digitalen Tandem-Portfolio erweitern Geflüchtete in der fremden Studiersprache Deutsch und Studierende der Slavistik in Russisch kollaborativ und selbstgesteuert ihre sprach-fachspezifischen Kompetenzen entsprechend ihrer individuellen Lernerprofile. Sie können damit in der jeweiligen Fremd- bzw. Studiersprache ihre Lernziele identifizieren, diese schriftlich formulieren, dazu Aufgaben auswählen, die sich auf Studieninhalte beziehen, und diese bearbeiten.

Details

Projektträger

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK)

Lessons Learned

Was lief gut im Projektverlauf?

Das gemeinsame sprach-fachbezogene Arbeiten in den Tandem-Konstellationen entwickelte sich von Anfang an positiv. Durch die Einführungsveranstaltung wurden die Studierenden soweit auf die Tandem-Arbeit vorbereitet, dass sie die Aktivitäten im Tandem durchweg effektiv zur Erweiterung ihrer Sprachkompetenz in den Lern- und Studiersprachen Deutsch und Russisch nutzen konnten. Dadurch konnten sie auch ein besseres Verständnis für die spezifische Aspekte, die das deutsche Hochschulsystem betreffen, entwickeln.

Weiterhin empfanden die geflüchteten Teilnehmenden es als äußerst gewinnbringend, durch diese zunächst studienbezogenen Aktivitäten auch soziale Kontakte knüpfen zu können. So waren die Tandem-Treffen vielfach die erste Gelegenheit, in der sie persönlich in Kontakt mit Studierenden der Universität Leipzig gekommen waren.

Die Mehrheit der am Projekt Teilnehmenden beschränkten sich zudem nicht auf die vorgegebene Anzahl der Tandem-Treffen, sondern traf sich häufiger und auch über einen längeren Zeitraum. Einige Teilnehmende bestätigten, dass sich aus den Tandem-Partnerschaften Freundschaften entwickelt hatten.

Ein weiteres positives Ergebnis ist die neu erworbene Medienkompetenz, die sie durch intensive Arbeit mit dem digitalen Portfolio entwickelt hatten. Dies trifft auf die Gruppe der Geflüchteten wie auch auf die Studierenden der Slavistik zu. Ebenso hervorzuheben ist der sichere Umgang mit unterschiedlichen Medien und Lernumgebungen wie Moodle, Mahara und weiteren digitalen Werkzeugen, für die sich Studierende individuell entschieden haben. Dadurch haben die Studierenden ein Bewusstsein für die zunehmende Vielfalt an Tools und Plattformen erworben, die sie für zahlreiche weitere Studien- und Berufskontexten anwenden können.

Welche Herausforderungen ergaben sich bei der Projektdurchführung?

Die erste Herausforderung bestand darin, aus der Ukraine geflüchtete Studierende überhaupt zu erreichen und für das Projekt zu gewinnen. Wir hatten uns mit den zuvor identifizierten Kooperationspartnern für diese Zielgruppe – der Stabsstelle Internationales und dem Studienkolleg – zwar rechtzeitig und auch konkret über das Projekt ausgetauscht und konnten auf ihre Unterstützung zählen. So wurden unsere Flyer/Postkarten bei Gesprächen und Veranstaltungen der Stabsstelle für Internationales verteilt und die internationalen Studierenden von den Mitarbeiter:innen über das Projekt informiert. Der Aufruf zur Teilnahme wurde weiterhin über Verteiler der Stabsstelle für Internationales versendet. Zudem stellten wird im Studienkolleg das Projekt in jedem Kurs vor, der von Geflüchteten belegt wurde.
Die nächste Herausforderung war die enorm belastende Situation, in der sich Geflüchtete befinden. Viele hatten keine Vorstellung davon, wie lange sie in Leipzig und damit an der Universität Leipzig bleiben würden. Zur Fluchtsituation und der damit verbundenen psychischen Belastung kamen die neue Sprache und die hohen bürokratischen Hürden, vielfach noch die Weiterführung des Studiums in der Ukraine, oft in den Abend- oder Morgenstunden. Dies führte zwangsläufig dazu, dass die Vorteile und das Potenzial des Projekts nicht in vollem Umfang genutzt wurden.
Eine weitere Herausforderung – insbesondere für die Geflüchteten – stellte der Umgang mit dem digitalen Portfolio dar. Wenngleich sowohl in der Einführungsveranstaltung als auch durch kurze Lernvideos sowie individuellen Support der Lernberaterin darauf eingegangen wurde, konnten wir in diesem Projekt eine leicht höhere Unsicherheit im Umgang mit dem Portfolio verzeichnen als in vielen anderen Modulen. Dies änderte sich in der Regel, sobald die Studierenden einige Male mit dem Portfolio gearbeitet und dadurch mehr Sicherheit in der Handhabung der Portfolio-Software gewonnen hatten.

Traten unerwartete Schwierigkeiten auf? Wenn ja, welche?

Neben den oben genannten Punkten wäre noch zu betonen, dass das Konzept des selbstverantworteten Sprachenlernens im Tandem sowohl für Lernende als auch für Lehrende generell eine erhebliche Herausforderung darstellt. Das Lernformat unterscheidet sich doch deutlich von regulären Sprachkursen und erfordert von den Teilnehmenden zusätzliche und erweiterte Kompetenzen wie etwa zur Planung eigener Lernziele, Selbstevaluation, Zeitmanagement, Selbstmotivation sowie der Kooperation mit einem/einer Lernpartner:in. Diese Tatsachen waren uns zwar bekannt, zumal wir auf langjährige Erfahrung mit selbstgesteuerten Lernszenarien mit einer Vielzahl an Studierenden zurückgreifen konnten. Dennoch hatten wir die Schwierigkeiten unterschätzt, die sich durch die spezifische Fluchtsituation unserer Zielgruppe stellte.

Was würden Sie aus Ihren Erfahrungen heraus für ähnlich angelegte Projekte empfehlen?

Mögliche Ansprechpartner*innen im Vorfeld identifizieren und gezielt befragen, ob es bei der intendierten Zielgruppe spezifische Charakteristika zu beachten gibt.
Möglichkeit einer Pilotierung eruieren. Dadurch können spezifische Bedarfe und Herausforderungen zu einem früheren Zeitpunkt identifiziert und Lösungswege überlegt werden.
Flexible Anpassung des Konzepts bei Bedarf. In unserem Fall wurde die ursprüngliche Zielgruppe der bereits immatrikulierten Studierenden erweitert um Geflüchtete, die sich am Studienkolleg auf ein Studium an der Universität Leipzig vorbereiteten, und auf Studierende, die an der Universität Leipzig Ukrainisch lernten.
Soll ein Tandem-Konzept mit einem digitalen Portfolio umgesetzt werden, ist die Verwendung einer Portfoliovorlage empfehlenswert. Dort können Lehrende Aufgaben und Leitfragen als Strukturierungshilfe bereitstellen, um den Lernprozess für die Studierenden zu unterstützen.
Tandem-Paare können gerade zu Beginn der Tandem-Partnerschaft durch engere und individuelle Begleitung, wie dies in Lernberatungen der Fall ist, effektiv unterstützt werden.
Lernberatungen sollten nach Möglichkeit mehrsprachig angeboten werden. In unserem Fall hat es sich als enorm hilfreich erwiesen, dass die Projektmitarbeiterin sowohl auf Deutsch als auch auf Russisch und Ukrainisch mit den Teilnehmenden kommunizieren konnte. Dadurch fühlten sich die Teilnehmenden weniger unter Druck und konnten frei wählen, in welchen Sprachen sie an Lernberatungen teilnehmen und Feedback erhalten wollten.
Mehrsprachige Informationsmaterialien (Webseite, Flyer) bereitstellen. So wird Mehrsprachigkeit auch als positiver Aspekt dargestellt.
Digitale Kompetenzen von (jungen) Studierenden sollten nicht überschätzt werden. Auch in dieser Zielgruppe gibt es eine große Bandbreite an digitalen Kompetenzstufen.

Zusammenfassend lässt sich aus den Empfehlungen sagen, dass neue und innovative Konzepte von frühzeitiger Kommunikation mit potenziellen Ansprechpartner:innen und möglichen Zielgruppen profitieren. Darüber hinaus hat sich wieder einmal erwiesen, dass eine flexible Herangehensweise nicht nur für den Verlauf und die Ergebnisse eines solchen Projekts gewinnbringend sein kann, sondern auch die Motivation aller Beteiligten stärkt.

Weitere „Lessons-Learned“:

Die gemeinsame Arbeit an den Portfolioaufgaben dient als fach- studienbezogener Lernanlass, wie man sich gegenseitig beim Erlernen der Sprache des anderen unterstützen kann. Außerdem – und dies ist sollte keinesfalls unterschätzt werden – lernen sich dadurch die Studierenden auch auf persönlicher Ebene kennen. Es entsteht eine sachbezogene Begegnungssituation, die den Partner:innen einen Freiraum eröffnet, den sie individuell zur Etablierung sozialer Kontakte nutzen können, aber nicht müssen. Einige Teilnehmende haben in Interviews bestätigt, dass die Tandem-Treffen am Anfang eher formell verlaufen waren und sich erst nach drei oder vier Treffen eine persönlichere Beziehung entwickelte, die sie auch als sehr bereichernd bewerteten.

Unsere Erkenntnisse zeigen, dass das Sprachenlernen im Tandem mit einem begleitetem Beratungskonzept und dafür spezifisch angepassten Portfolioaufgaben eine hochwirksame Hilfe für geflüchtete sowie internationale Studierende darstellt. Das Konzept ist übertragbar auf eine Vielzahl weitere Hochschulkontexte und insbesondere für die Integration internationaler wie geflüchteter Studierender hilfreich. Zudem stärkt es die Internationalisierung@home für Studierende der eigenen Hochschulen. Eine Förderung von begleitetem, digital gestütztem und curricular integriertem sprach- und fachbezogenem Tandem-Lernen sollte daher regulär an Hochschulen verankert und weiter gefördert werden.

Nachnutzungsmöglichkeiten

Zum Projektende haben wir leitfadengestützte Interviews mit einigen Projektteilnehmenden geführt. Dadurch konnten wir wertvolle Erkenntnisse über die konkreten Herausforderungen internationaler Studierender mit Fluchthintergrund an der Universität Leipzig gewinnen. Zudem ließen sich daraus Aspekte ableiten, wie diese Studierenden auf ein Studium an der Universität Leipzig bzw. an einer deutschsprachigen Hochschule sprachlich besser vorbereitet werden und wie sie während des Studiums effektiver unterstützt werden können. Das Sprachenlernen im Tandem hat sich wie erwartet als in hohem Maße sinnvolle Maßnahme zur sprachlichen und sozialen Integration von geflüchteten Studierenden erwiesen. Zugleich, auch das soll nicht außer Acht gelassen werden, ermöglicht man Studierenden der Slavistik, u.a. zukünftigen Lehrer:innen, diese Selbsterfahrung mit einer autonomen, kooperativen Lernsituation. Ein Perspektivenwechsel mit hohem Lernpotenzial.

Die für dieses Projekt entwickelte Portfoliovorlage steht für das Tandem-Modul zur Verfügung und kann künftig von Studierenden mit entsprechenden individuellen Lernerprofilen verwendet werden.

Der engere Kontakt zwischen dem Sprachenzentrum, dem Institut für Slavistik, dem Studienkolleg und der Stabsstelle Internationales wird im Bereich Sprachentandem weiter ausgebaut werden. Dies ist für die Erweiterung von Sprachkompetenzen ebenso förderlich wie für die soziale Integration internationaler Studierender an der Universität Leipzig.

Weitere Informationen

Generelles

URL:
https://www.sprachenzentrum.uni-leipzig.de/ueber-das-sprachenzentrum/forschung-und-entwicklung/mit-digitalen-tandem-portfolios-studierende-in-den-fremden-studiersprachen-deutsch-und-russisch-unterstuetzen

URL:
https://www.sprachenzentrum.uni-leipzig.de/tandem-autonome-angebote/besser-studieren-im-sprachentandem

Flyer/Postkarten

Kontakt

Irmgard Wanner

Universität Leipzig, Sprachenzentrum

wanner@uni-leipzig.de

https://www.sprachenzentrum.uni-leipzig.de/

Dr. Dina Sorour

Universität Leipzig, Sprachenzentrum

d.sorour@uni-leipzig.de

https://www.sprachenzentrum.uni-leipzig.de/

Jun.Prof. Dr. Nina Simon

Universität Leipzig

nina.simon@uni-leipzig.de

https://www.nina-simon.com