Fallbasiertes Lernen mit Hypervideos im Lehramtsstudium – ein Lehrkonzept für das einführende bildungswissenschaftliche Modul

Das entwickelte Lehrkonzept im Rahmen dieses Digital Fellows an der Universität Leipzig stellt einen innovativen Ansatz dar, um angehende Lehrkräfte auf die Herausforderungen des pädagogischen Alltags vorzubereiten. Hypervideos werden verwendet, um Unterrichtssituationen zu analysieren und zu reflektieren. Im Lehramtsstudium ist die Auseinandersetzung mit solchen Fallbeispielen gängige Praxis, jedoch stellte sich heraus, dass textbasierte Darstellungsformen den Studierenden Schwierigkeiten bereiteten. Diese konnten die komplexen Unterrichtsinteraktionen nur bedingt realitätsnah erfassen, da wichtige Kontextinformationen wie räumliche Bedingungen oder nonverbale Signale nicht ausreichend vermittelt wurden.
In diesem Projekt wurden Hypervideos als neue Darstellungsform eingesetzt, die nicht nur eine authentischere Darstellung von Unterrichtssituationen ermöglichen, sondern auch die Möglichkeit bieten, Videos mit Annotationen zu versehen. Dadurch können Studierende ihre eigenen Analysen und Lesarten festhalten und mit anderen teilen, verschiedene Perspektiven einnehmen und kritisch reflektieren. Durch die gemeinsame Arbeit an den Videos werden nicht nur theoretische Kenntnisse vertieft, sondern auch wichtige Kompetenzen wie digitale Medienkompetenz und Selbstreflexion gefördert.
Die Implementierung dieses Lehrkonzepts erforderte jedoch eine sorgfältige Planung und Durchführung. Die Auswahl und Bearbeitung der Videos, die Entwicklung eines didaktischen Konzepts (Komplexitätsstufe der Fallanalyse) sowie die kontinuierliche Optimierung durch kollegiale Hospitationen und Reflexionssitzungen waren wichtige Schritte, um sicherzustellen, dass die Hypervideos effektiv im gesamten Modul integriert werden konnten.

Details

Projektträger

Sächsisches Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK)

Lessons Learned

Was lief gut im Projektverlauf?

Wir konnten in den Seminaren feststellen, dass die aufbereiteten Video-Fallbeispiele für die Studierenden hilfreich waren, um konkrete Bezüge zwischen dem neu erlernten theoretischen Wissen und den Unterrichtssituationen aus dem Praxisalltag herzustellen. Diese theoretischen Bezüge wurden von den Studierenden meist fallnah an konkreten Sequenzen aus den Videobeispielen in Verbindung gebracht. Die Videobeispiele erwiesen sich als geeignete Datensätze, um den Studierenden auf multimodale Weise die Komplexität von Unterricht zu verdeutlichen. Diesen Eindruck konnten wir auch in einer ersten Umfrage in den Seminargruppen bestätigen, in der wir die Studierenden um eine Einschätzung zur Arbeit mit Video-Fallbeispielen in der Lehre gebeten haben. Dabei wurde deutlich, dass einige Studierende durch die Arbeit mit den videobasierten Fallbeispielen ihre eigene subjektive Wahrnehmung von Unterricht anfangen zu hinterfragen und lernen, dies anhand von bildungswissenschaftlichen Konzepten und Theorien zu reflektieren. Im Vergleich zu den textbasierten Fällen betonen sie, dass die Videobeispiele sehr gut für die multimodale Analyse von Unterrichtssituationen geeignet sind. Die Wahrnehmung von Mimik, Gestik und Intonation der handelnden Personen ist von besonderer Bedeutung, um die Sequenzen neben dem Gesprochenen differenziert zu interpretieren. Darüber hinaus erleichtert auch die sichtbare Raum- oder Sitzordnung in den Klassen den Studierenden, das Geschehen besser einzuordnen.

Welche Herausforderungen ergaben sich bei der Projektdurchführung?

Während der Projektdurchführung traten mehrere Herausforderungen auf. Zunächst war es eine Herausforderung, Datenschutzkonzepte bei der Auswahl, Aufbereitung und Bereitstellung von Unterrichtsvideos zu implementieren. Es war wichtig sicherzustellen, dass personenbezogene Daten geschützt und rechtliche Anforderungen erfüllt wurden.
Die Auswahl passender Videos für die Themen des Moduls war eine weitere Herausforderung. Es war entscheidend, Videos zu finden, die die Themen des Moduls angemessen darstellen und für die Fallanalyse geeignet sind.
Die Koordination mit anderen Modullehrenden gestaltete sich ebenfalls herausfordernd, da das Modul viele parallele Seminare umfasst und die Lehrenden unterschiedliche methodische Erwartungen und Vorstellungen zur Fallanalyse hatten. Die Abstimmung dieser verschiedenen Ansichten war zeitaufwändig, jedoch notwendig, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Darüber hinaus hatten wir nur begrenzte Ressourcen zur Verfügung, da uns lediglich Mittel für drei studentische Hilfskräfte bewilligt wurden. Die Projektarbeit musste neben unseren zahlreichen Lehrveranstaltungen bewältigt werden, was zusätzliche Herausforderungen im Zeit- und Ressourcenmanagement mit sich brachte. Trotz dieser Herausforderungen wird das Lehrkonzept nun erfolgreich im gesamten Modul in den Seminaren eingesetzt.

Traten unerwartete Schwierigkeiten auf? Wenn ja, welche?

Ja, es traten unerwartete Schwierigkeiten auf. Eine der studentischen Hilfskräfte kündigte aus persönlichen Gründen, was zu einer Aufstockung der anderen Hilfskräfte und zur Fortführung der Arbeit führte. Aufgrund der Erhöhung des Gehalts der Hilfskräfte reichten die genehmigten Mittel nicht für den gesamten Förderzeitraum aller drei Hilfskräfte aus. Zudem stießen wir auf große technische Herausforderungen. Beim Aktualisieren des Annotationstools und der Opencast-Instanz traten Probleme auf, da die aktuelle Version von Opencast nicht mit dem Annotationstool kompatibel war. Daher konnten wir das Annotationstool nicht mehr nutzen und mussten in den Seminaren auf Google-Docs und die Opencast-Instanz der Universitätslernplattform zurückgreifen.
Als Lösung haben wir einen Projektvorschlag in strategischen Handlungsfeldern im Rahmen der sächsischen E-Learning-Landesinitiative "Bildungsportal Sachsen" für 2024/25 eingereicht. Ziel ist es, ein eigenes Annotationstool programmieren zu lassen, professionelle Unterstützung für die technische Umsetzung des Innov@ter-Konzepts zu erhalten und das Lehrkonzept zu konsolidieren und weiterzuentwickeln.

Was würden Sie aus Ihren Erfahrungen heraus für ähnlich angelegte Projekte empfehlen?

Entscheidend ist vor allem zu überlegen, an welchen Stellen im Seminar der Einsatz digitaler Hypervideos sinnvoll ist und ob diese dazu dienen sollen, die Theorie zu veranschaulichen oder als Werkzeug für das Verständnis von Fallbeispielen zu dienen. Eine effektive Möglichkeit, dies umzusetzen, ist die Zusammenarbeit in einem Entwicklungsteam, um ein konkretes didaktisches Lehrkonzept zu entwickeln, zu erproben und zu verbessern. Insbesondere bei der Formulierung von Arbeitsfragen, die auf Theorie und Fallbeispiele abzielen, hat sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit in einem solchen Team die Qualität der Fragen steigern kann. Die Einbindung der Perspektive der Studierenden durch die Zusammenarbeit mit studentischen Hilfskräften war ein wertvoller Beitrag während des gesamten Prozesses.
Des Weiteren muss die Verfügbarkeit digitaler Ressourcen und Kompetenzen berücksichtigt werden, da die Studierenden möglicherweise erst lernen müssen, wie sie digitale Tools zur Videoanalyse effektiv nutzen können. Um sicherzustellen, dass technische Schwierigkeiten den Lernerfolg nicht beeinträchtigen, ist es wichtig, Hilfsangebote wie Erklärvideos oder Handreichungen bereitzustellen, um den Studierenden beim kompetenten Umgang mit digitalen Tools und Hypervideos zu unterstützen.
Die Rückmeldungen der Studierenden haben gezeigt, dass die von uns erstellten Unterrichtstranskripte sehr hilfreich für die parallele Analyse von Unterrichtsszenen sind. Darüber hinaus wird empfohlen, zusätzlich zu den Transkripten Untertitel im Video zu integrieren, um die Verständlichkeit während der Beobachtung zu verbessern.

Nachnutzungsmöglichkeiten

Die Projektergebnisse bieten zahlreiche Möglichkeiten zur Nachnutzung und zur Umsetzung von Folgeprojekten. Als Antwort auf die technischen Herausforderungen wurde ein Projektvorschlag im Rahmen der sächsischen E-Learning-Landesinitiative "Bildungsportal Sachsen" für 2024/25 eingereicht. Ziel ist es, ein eigenes Annotationstool zu entwickeln, professionelle Unterstützung für die technische Umsetzung des Innov@ter-Konzepts zu erhalten und das Lehrkonzept weiter zu konsolidieren und zu verbessern.
Zusätzlich werden alle entwickelten Handreichungen und Handouts auf einer frei zugänglichen Plattform (Innov@ter oder in der Weiterbildungsplattform der Universität Leipzig) veröffentlicht. Es ist geplant, einen Vorschlag für die Publikation des Lehrkonzepts im Journal "Perspektiven auf Lehre. Journal for Higher Education and Academic Development" einzureichen.
Des Weiteren wird das im Rahmen des Lehrkonzepts entwickelte Analysemodell für die Fallanalyse auch für Forschungszwecke in unserem Arbeitsbereich genutzt. Ein Manuskriptvorschlag mit dem Titel "Allgemeindidaktische Konzepte in der rekonstruktiven Unterrichtsforschung: Annäherungen an die Arbeit mit Unterrichtsfällen" wurde gemeinsam mit Forschenden aus unserem Arbeitsbereich eingereicht. Ziel ist es, die Idee der "Komplexitätsstufe" für die Analyse einer Unterrichtsstunde aus verschiedenen methodischen Perspektiven zu rekonstruieren.

Weitere Informationen

Projektzeitraum: 01.03.2022 bis 31.07.2023

Generelles

Handouts (für Studierende) und Handreichungen (Lehrende): Fallanalyse Stufe 1 – 4 verfügbar unter: https://drive.google.com/drive/folders/16tMKFSrSCq7EWd85wSkgd1h-Kj-OKcfu (Zugang nur für Lehrende des Moduls)

Kontakt

Dr. Mamadou Mbaye

Universität Leipzig

mamadou.mbaye@uni-leipzig.de

0341 97-31426

https://www.erzwiss.uni-leipzig.de/institut-fuer-bildungswissenschaften/allgemeine-didaktik-und-schulpaedagogik-des-sekundarbereichs