Erfolgsfaktoren und Stolpersteine der hybriden Lehre – Praxisforschung im Digital Fellowship
In seiner Lehrveranstaltung zu empirischen Methoden der Sozialforschung möchte unser Digital Fellows Markus Lohse von der Hochschule Mittweida verstärkt auf ein hybrides Lehrkonzept setzen. Gerade für die Studierenden der Sozialen Arbeit möchte er so eine möglichst hohe Flexibilität anbieten und das Seminar gleichzeitig nutzen, um gemeinsam mit den Studierenden – in einem students-as-partners-Ansatz – das Lehrkonzept zu erforschen. Wie das abläuft und welche Erfolgsfaktoren und Stolpersteine dabei schon jetzt sichtbar werden, erklärt er in unserem Interview.
Worin sehen Sie die Vorteile des hybriden Lehrkonzeptes, auch gegenüber einer reinen Online-Live-Veranstaltung?
Herr Lohse: Das hybride Lehrkonzept ermöglicht den Studierenden einerseits grundsätzlich beide Teilnahmeoptionen und daher je nach persönlichem Bedarf (familiäre Verpflichtungen, langer Arbeitsweg) diese situativ flexibel zu realisieren. Tendenziell kommt es in meiner Gruppe dadurch zu weniger Abwesenheiten. Der Unterschied zur „reinen“ Onlinelehre besteht darin, dass grundsätzlich zur Präsenz optiert, das heißt, diese bei Bedarf auch eingefordert werden kann. Dazu ist es auch bereits gekommen. Andererseits – und das ist gerade für ein hybrides Forschungsprojekt aus meiner Sicht besonders wesentlich – ist es auch forschungspragmatisch gerade im Hinblick auf die der Bearbeitung des Forschungsprojektes. Die zugrundeliegende Datenbasis ist ebenfalls ein „Hybrid“, bestehend aus digital und in Präsenz erzeugten Forschungsdaten. Zudem ist der hochschulübergreifende Austausch mit Kolleg:innen und sogenannten „Gatekeeper:innen“ zu Befragungs-/Interviewzwecken beziehungsweise für Kontakte zu anderen Lehrenden generell sehr niedrigschwellig und macht Dienstreisen in dem Maße nicht (mehr) erforderlich.
Wie setzen Sie dies in Ihrer Lehrveranstaltung um und welche verschiedenen methodischen Elemente kommen dabei zum Einsatz?
Herr Lohse: Digitale Tools lassen sich sofort einbinden und arbeitsteilig nutzen. Beispielsweise sind die digital Teilnehmenden viel schneller in Suchmaschinen für Recherchen, auf digitalen Whiteboards zum Visualisieren oder in Textverarbeitungsprogrammen wie Google-Docs zur Dokumentation, Aufgabenverteilung, Terminabsprachen et cetera, um dokumentative und koordinative Aspekte gleich während der Veranstaltung zu erledigen. Bei den Teilnehmenden in Präsenz ist im Gegensatz dazu der interaktionsbedingte, diskursive Austausch höher. Beides zusammengenommen steht im Dienste der jeweiligen Aufgabenstellung. Hier werden Synergieeffekte erzeugt und genutzt. Dies verringert an dieser Stelle den Aufwand für die Nachbereitung und schafft damit Freiräume gegebenenfalls für Meetings zu weiterführenden Überlegungen im Projekt oder anderen Aufgaben. Für eine optimale Umsetzung sind dafür die Rahmenbedingungen bestmöglich zu gestalten. Sowohl in Präsenz, als auch digital, ist es erforderlich, Räume (geeignete Videoplattform) zur Verfügung zu stellen, in denen es sich möglichst ungestört, gruppenspezifisch oder -übergreifend arbeiten lässt. Insbesondere ist während der Veranstaltung eine gute Moderation wichtig. Dabei sind einerseits die beiden wissenschaftlichen Hilfskräfte von großer Bedeutung. Eine Studierende ist immer online bei den digital Teilnehmenden und die andere unterstützt und moderiert in Präsenz. Eine ebenso funktionierende Alternative ist es, diese Moderationsaufgaben an die projektteilnehmenden Studierenden abzugeben.
Wie läuft die gemeinsame Erforschung des Konzeptes mit den Studierenden im students-as-partners-Ansatz ab?
Herr Lohse: Das hybride Konzept zur Praxisforschung im Studium Soziale Arbeit hat es vorgesehen, dass sich (mindestens) zwei Forschungsgruppen bilden, die sich je nach Zugang zu empirischen Daten und deren Analyse (quantitativ/qualitativ) finden. Außerdem hat es von Beginn an den Versuch der Etablierung einer spezifischen Prämisse gegeben, dass sich je einem Teilnahmeformat (in Präsenz oder digital) zugeordnet wird und im darauffolgenden Semester ein Tausch stattfindet. Damit wurde/wird bezweckt, dass alle Studierenden diesbezüglich Erfahrungen machen und mögliche Grenzen zu testen. Es hat bereits in der Auswertung am Ende des ersten Semesters die Rückmeldung gegeben, dass sich die verbindlich digital teilnehmenden Studierenden – abgesehen von der Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung – alle drei bis vier Lehrveranstaltungen ein Meeting in Präsenz wünschen. Dieses Feedback wurde für die Planung des zweiten Semesters realisiert.
In den Veranstaltungen finden zwischen den Studierenden, den wissenschaftlichen Hilfskräften und der Projektleitung fortlaufend Feedbackschleifen statt. Dies erfüllt einerseits den Zweck, um didaktische Schlüsse zu ziehen und andererseits hat es gleichzeitig eine inhaltliche Funktion. Beides ist nicht losgelöst voneinander zu bewältigen. Inhalt und Struktur der Lehrveranstaltung sind eng miteinander verbunden. Es geht in erster Linie darum, die Studierenden zu ermutigen, bereits im Prozess zu reflektieren, was gut läuft, was optimierungsbedürftig ist und dazu entsprechend konstruktiv kritisch miteinander ins Gespräch zu kommen. Wichtig ist, Rückschläge zu verarbeiten, jedoch vor allem gemeinsam absolvierte Herausforderungen herauszustellen und erreichte Meilensteine zu würdigen. Außerdem bedarf es seitens der Lehrenden einem Vertrauen auf die Fähigkeit der eigenständigen und eigenverantwortlichen Bearbeitung des Forschungsprojektes und einer gewissen Geduld im Zulassen – und nicht der Vorwegnahme – von Lernerfahrungen. Die Studierenden sind bis zu einem gewissen Grad dem Prozess zu übereignen, um sich einen eigenen Lernweg zu erarbeiten. Erst bei artikulierten Bedarfen und entsprechenden Rückmeldungen ist es erforderlich regulierend zu handeln. Damit wird m. E. auch automatisch das natürlich vorhandene Machtgefälle verringert, wenn seitens der Lehrenden transparent gemacht wird, warum/wieso/weshalb/wie vorgegangen wird. Auch hier erfüllt die Ebene der wissenschaftlichen Hilfskräfte gewissermaßen eine „Vorschalldämpfer“-Funktion. Auf der Peer-Ebene sind diese auf „echter“ Augenhöhe (ohne implizite Bewertungsanforderung) näher an den Studierenden und können aus eigener Projekt-/Lernerfahrung sprechen.
Durchgeführt werden zudem qualitative und quantitative Evaluationen. An zwei Messpunkten – Ende des ersten und zweiten hybriden Praxisforschungsprojekt- Semesters – werden standardisierte Online-Lehrevaluationen erhoben. Mittels eines qualitativen Zugangs werden zusätzlich sogenannte „Teaching-Analysis-Polls“ realisiert. Dabei handelt es sich um einen gesprächsbasierten Ansatz, den eine Mitarbeiterin der hochschulinternen Abteilung Hochschuldidaktik gemeinsam mit den Studierenden umsetzt. Dazu werden in einer der letzten Veranstaltungen des Semesters zu bestimmten Fragestellungen Feedbacks der Studierenden eingeholt, dann zusammengefasst und mit den Lehrenden besprochen. Schließlich die Prozessebene betreffend, wurden die Studierenden zu Beginn des Projektes gebeten ein Forschungstagebuch mit einem Eintrag jeweils am Ende eines Lehrveranstaltungstages zu führen.
Haben Sie bereits Tipps für andere Lehrende, die hybride Lehrkonzepte umsetzen wollen? Worauf sollten diese achten?
Herr Lohse: Für den Verlauf der Lehrveranstaltungen/Seminare bedarf es bei der/den Lehrperson(en) einerseits digitaler Kompetenzen zur Bereitstellung von Wissen in digitalen Räumen (Präsentationen teilen, Videos einbinden, Literatur recherchieren, et cetera). Andererseits sind technische Kenntnisse hilfreich, die ein autonomes Schaffen von geeigneten Rahmenbedingungen im Online-Setting fördern (beispielsweise Bedienung von Videoplattformen und Konferenztechnik, Kameras, Mikrofone sowie Lernplattformen zum Teilen und Bearbeiten von Dokumenten). Didaktisch ist eine gleichberechtigte Beteiligung durch eine entsprechende Moderation der Studierenden zielführend (Präsentationen zu Arbeitsständen, Diskussionsbeiträge, gegenseitiges Feedback). Hierbei bedarf einer besonderen Aufmerksamkeit für die digital Teilnehmenden. Es hat sich gezeigt, dass für diese Gruppe die Herausforderung größer ist, sich am Fluss der Diskussion in Präsenz zu beteiligen und sich aktiv einzubringen.
Haben Sie schon Rückmeldungen von Ihren Studierenden erhalten? Was schätzen diese an Ihrem Konzept und sehen sie auch Herausforderungen?
Herr Lohse: Neben den bereits erwähnten inhaltlichen Rückmeldungen, schätzen alle Beteiligten die regelmäßigen Reflexionen und den regen Austausch untereinander. Außerdem wurde die Beratungs- und Moderationsleistung der Dozierenden positiv hervorgehoben.
Als Herausforderungen erleben die Studierenden vor allem die Vor- und Nachbereitungszeit der Veranstaltung, da die Eigenorganisation von hybriden Settings in großen Gruppen mit verschiedenen Verpflichtungen nicht immer einfach ist. Wobei hier relativierend anzumerken ist, dass diese Erfahrung der Bewältigung von Anforderungen von primär selbstgesteuertem Lernen auch auf Projekte ausschließlich im Präsenzmodus zutrifft und nicht ein besonderes Merkmal des hybriden Lehr-Lern-Settings darstellt.