Schrittweiser Wandel der Fachsprachenausbildung Englisch: ein kompetenzorientiertes Blended-Learning-Szenario macht den Anfang

Dr. Antje Tober – Leiterin des Bereichs Fremdsprachen und Interkulturalität des Hochschulkollegs an der HTWK Leipzig – möchte mit ihrem Fellowship die Fachsprachenausbildung auf ein neues Niveau heben. Aktuell erfolgt die Ausbildung anhand allgemeiner und nur bedingt aktueller Lehrmaterialien, welche durch die Studierenden passiv rezipiert werden. In Zukunft möchte Dr. Tober den Fachsprachenunterricht kompetenzorientierter gestalten. Hierfür entwickelt sie in ihrem Fellowship ein Seminarkonzept inkl. begleitendem OPAL-Kurs, welches später auch in den Fachsprachenmodulen anderer Studiengänge umgesetzt werden soll. Beispielhaft wird dies zunächst im Studiengang Bauingenieurwesen erprobt und evaluiert. Wie die Studierenden dort im Wintersemester ihr Fachenglisch trainieren werden, erklärt unsere Digital Fellow im Interview.

Wie soll das Fachsprachenmodul Englisch in Zukunft ablaufen?

Dr. Tober: Der grobe Ablauf sieht vor, dass die Studierenden zunächst einen Workshop zum Schulen der Recherchekompetenz erhalten, um im zweiten Schritt englischsprachige (Fach-)Texte in genau dem Bereich, der sie interessiert, zu recherchieren. Wir arbeiten dann im Seminar mit diesen Texten und vermitteln Fachterminologie und spezielle Grammatikkenntnisse für die Fachsprache Englisch. Wir üben des Weiteren die mündlichen Fertigkeiten mittels Präsentationen, Diskussionen oder Rollenspielen. Am Ende des Semesters haben die Studierenden aus der Arbeit mit den Fachtexten ein Online-Fachwörterbuch erstellt, auf das sie im weiteren Verlauf ihres Studiums zugreifen können.

Wie sollen die Studierenden an das Modul „Fachbezogenes Englisch für Bauingenieurwesen“ herangeführt und dafür begeistert werden?

Dr. Tober: Jede/r Studierende hat ihren/seinen eigenen Grund, sich für das Studium des Bauingenieurwesens einzuschreiben – sei es ein Interesse für nachhaltiges Bauen, Berührungspunkte durch die Eltern, die vielleicht im Gebäudebrandschutz arbeiten oder der Wunsch mittels angewandter Mathematik große Baustatiken zu berechnen. Wir möchten dieses persönliche Interesse am Fach in die Englischausbildung hineinholen und damit die Motivation für das Fach Englisch in ihrem Studium erhöhen. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist die Erkenntnis, dass Studierende besser lernen, wenn sie einen Bezug zum Lernstoff aufbauen können. Diesen Bezug können wir Englischlehrende durch das Vorgeben von Material nicht immer und in jedem Fall herstellen.

Welche Vorteile bieten hierbei speziell das Blended-Learning-Szenario sowie die digitalen Elemente?

Dr. Tober: Durch den begleitenden OPAL-Kurs können die Studierenden Woche für Woche ihren Lernfortschritt vorantreiben, indem sie genau nachvollziehen können, welche To Do‘s es in jeder Woche gibt. Weiterhin sollen sie dort wöchentlich eine Reflexionsfrage zu ihrem Lernfortschritt beantworten sowie die Antwort eines anderen Studierenden lesen und korrigieren. Außerdem wird dort das Online-Wörterbuch entstehen.

Die Studierenden werden in Ihrem Szenario stärker selbst aktiv werden müssen, sie sollen regelmäßig kleine Aufgaben bearbeiten und sich gegenseitig Feedback geben. Wie motivieren Sie die Studierenden, diese für sie neuen und zusätzlichen Aufgaben zu erbringen?

Dr. Tober: Es ist richtig, dass die Studierenden mit diesem Lehrkonzept mehr gefordert sind. Sie können aber für sich selbst auch mehr herausholen und ihren Lernweg selbst bestimmen. Gerade das erste Semester birgt für die Studierenden Überforderung: sie müssen sich zunächst an der Hochschule orientieren, sich einen neuen Rhythmus erarbeiten, Prioritäten für sich und ihr Studium neu setzen. Ich glaube, dass wir Lehrende hier realistisch sein und Verständnis für die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Studierenden haben müssen. Wir machen ihnen mit unserem neuen Lehrkonzept Angebote und hoffen, dass sie von den Studierenden wahrgenommen werden.

Sie werden das Konzept gemeinsam mit Studierenden entwickeln und fortlaufend durch die Studierenden evaluieren lassen. Welche Impulse erhoffen Sie sich von den Studierenden in Bezug auf die Konzeptentwicklung?

Dr. Tober: Die Studierenden sind in unserem Lehrkonzept eindeutig die Expert/innen ihres Faches! Sie bringen fachliche Vorkenntnisse mit und lernen in den Fachveranstaltungen jede Woche neues, das sie auch im Englischseminar teilen wollen und sollen. Wir Lehrende hingegen sind die Expert/innen in der Fremdsprache mit einer Neugier für das Fach „Bauingenieurwesen“. Wir versuchen als Lernbegleiter die Englischkompetenzen zu verbessern und lernen selbst immer wieder gern die Interessen der Studierenden und die Entwicklungen in der Bauindustrie kennen. So halten wir unsere Englischseminare aktuell.

Das Konzept soll nach seiner Entwicklung und Evaluation durch die freiberuflichen Englisch-Lehrkräfte eingesetzt werden. Welche Umstellung bedeutet dies für die Lehrkräfte und wie unterstützen Sie diese dabei?

Dr. Tober: Es wird sicherlich eine Umstellung für die Lehrkräfte, die oft denken, sie müssten fachliche Themen setzen. Ich denke, dass das schwierigste ein Umdenken sein wird, nämlich dass wir als Fremdsprachendozent/innen keine Fachinhalte vorgeben müssen. Wenn dieses Umdenken einmal erfolgt ist, wird es meiner Überzeugung nach einfacher! Denn wir können uns dann auf unser Spezialgebiet konzentrieren: die Fremdsprachenvermittlung. Als Hilfe erhalten die Lehrenden einen fertigen OPAL-Kurs, der alles enthält, was zur Umsetzung des neuen Lehrkonzepts notwendig ist.