Individualisiertes Üben und Vorbereiten anhand von Videos im multimedialen Lernmodul
Das gemeinsame Ziel unserer Digital Fellows aus den so unterschiedlichen Fachbereichen Musik und Werkstoffwissenschaften ist es, die Studierenden in der Vorbereitung auf die Lehre zu unterstützen. In beiden Fellowships werden hierfür Videos erstellt und in einem multimedialen Lernmodul eingebettet. Im Tandem-Fellowship von Prof. Thomas Fellow und der Studierenden Judith Beckedorf von der Dresdner Hochschule für Musik „Carl Maria von Weber“ wird der Instrumentalunterricht im Fach „Akustische Gitarre“ durch Prinzipien des Differenziellen Lernens ergänzt. Prof. Dr. Gotthard Wolf von der TU Bergakademie Freiberg schafft seinen internationalen und heterogenen Studierenden ein Begleitangebot zur Wiederholung von Grundlagenwissen. Im Interview erklären beide, wie sie Ihre Ziele durch Videos und ergänzende Materialien erreichen können.
Können Sie uns zunächst einmal beschreiben, wie in Ihrem Fellowship das multimediale Lernmodul aufgebaut ist und welche Art von Videos Sie bereitstellen??
Prof. Fellow & Frau Beckedorf: Die Videos werden in den 5 Sektionen Begriff, Situation, Musik, Gitarre und Interaktion und dort wiederum in diverse Unterkategorien eingeordnet. So wird in Sektion 1 beispielsweise das Differenzielle Lernen in seiner Struktur erklärt und Vorteile des Differenziellen Lernens gegenüber dem oft (und gerne auch zu oft) angewendeten zielgerichteten Lernen herausgestellt. Das Differenzielle Lernen ist eine Übemethode, bei der das Lernen anhand von expliziten Unterschieden stattfindet. Im Gegensatz zum Linearen Lernen, bei dem die perfekte Bewegung (z. B. der effizienteste Akkordwechsel oder auch im Sport: der perfekte Tennisaufschlag) am Ende steht und auf dem Weg dorthin bei jedem Versuch eine noch etwas genauere Annäherung an diese Bewegung vollzogen wird, werden beim Differenziellen Lernen absichtlich ganz verschiedene Bewegungen vollzogen, um am Ende die Zielbewegung abrufen zu können. In der Trainingswissenschaft wird diese Form des Lernens als besonders natürlich angesehen, spiegelt sie ja das Lernverhalten von Kindern wieder, die durch ungerichtete, konfuse und höchst vielfältige Aktionen z. B. das Sprechen oder Laufen lernen. Die Videos sollen diese Art des Lernens und individuellen Übens unterstützen und auf einer möglichst niederschwelligen Plattform verfügbar gemacht werden, dazu werden wir uns vermutlich für Youtube entscheiden. Durch Text-Kommentare unter den Videos und Verlinkung anderer Videos erhoffen wir uns, eine möglichst offene und agile Struktur zu erschaffen mit der Möglichkeit für Feedback und weitere Ideen von anderen Musizierenden zum Thema Differenzielles Lernen.
Prof. Wolf: Wir haben für das Modul Foundry Process Design einen multimedialen Kurs als Unterstützungsangebot für ausländische Studierende entwickelt, der mit einem semesterbegleitenden Tutorienprogramm angeboten wird. Durch die Bereitstellung und Integration eines Online-Kurses in die Lehrveranstaltung werden die Wissensdefizite der Studierenden, die durch ihre diversifizierten Lernbiografien vorzufinden sind, ausgeglichen und es wird somit ein besserer Einstieg in das Fach gewährleistetet. Aufgebaut ist der Online-Kurs in LMS OPAL. Er beinhaltet neben theoretischem Material zusätzlich Videos, die zur detaillierteren Erklärung und einem besseren Verständnis beitragen. Auf diese Weise können wir den Studierenden das Wissen sehr praxisnah vermitteln und ihnen jederzeit einen Einblick in die realen Gegebenheiten am Institut geben. Somit sind sie auch bereits bestens für ihre eigenen praktischen Arbeiten im Rahmen von experimentellen Studien- und Abschlussarbeiten am Institut vorbereitet. Zusätzlich erwartet die Studierenden in jeder Lerneinheit ein Selbsttest, mit Hilfe dessen sie überprüfen können, wie gut sie den behandelten Grundlagenstoff bereits beherrschen. Für eine interaktive Verbindung des Online-Kurses mit den Lehrenden haben wir ein Forum und ein Online-Klassenzimmer eingerichtet, in denen offene Fragen zu den vorgestellten Themen besprochen werden können. Außerdem nutzen wir diese Möglichkeit um den Studierenden weitere vertiefende Hinweise auf Basis der Ergebnisse der Selbsttests zu geben.
Inwiefern unterstützen Sie mit diesem Angebot die individuellen Lern- und Übungsbedarfe Ihrer Studierenden?
Prof. Fellow & Frau Beckedorf: Das Differenzielle Lernen ist eine besonders kreative Art des Lernens und somit eine passende Komponente in dem sogar für die Musikwelt außergewöhnlich kreativen Studiengang „Akustische Gitarre“ hier in Dresden. Mit Hilfe der Denkanstöße in den Videos können die Studierenden in aller Ruhe und wann es ihnen passt verschiedene Übemethoden ausprobieren und mit ihren individuellen Erkenntnissen ihr künstlerisches Repertoire erweitern.
Prof. Wolf: Wir stellen unseren Online-Kurs „on demand“ zur Verfügung und ermöglichen somit einen individuellen Zugriff auf unser Lehrangebot. Auf diese Weise stellen wir es unseren Studenten frei wann, wie lange und wie detailliert sie sich mit den zur Verfügung gestellten Materialien auseinandersetzen. Die Tatsache jeden Selbsttest zu einer Thematik beliebig häufig und auch bereits ohne Sichtung des theoretischen Materials absolvieren zu können, ermöglicht es den Studierenden schnell einschätzen zu können ob ihr Basiswissen hinsichtlich eines Themenkomplexes kongruent mit unseren Erwartungen ist. Basierend auf dieser Einschätzung kann das zur Verfügung gestellte Material entsprechend umfangreich konsumiert und das Engagement
Sie lehren in ganz unterschiedlichen Fachbereichen. Inwiefern trägt das von Ihnen gewählte Einsatzszenario zu einer Veränderung von Lehre in Ihrem Fachbereich bei?
Prof. Fellow & Frau Beckedorf: In der Musik und vor allem im Jazz ist es eine große Tradition, Audioaufnahmen großer Meister nachzuspielen und von ihnen zu lernen. Dieser Trend hat sich seit der enormen Verbreitung und Diversifizierung von Youtube nun zusätzlich auf die Welt der Videos ausgeweitet. Viele Studierende und übrigens auch Dozent*innen lassen sich schon seit langem durch Videos anderer Musiker*innen inspirieren und lernen von ihnen. Es besteht nun die spannende Möglichkeit, mit Musik und musikalischen Fähigkeiten von Menschen auf der anderen Seite der Welt in Kontakt zu kommen. Es ist klar, dass der absolute Hauptteil der musikalischen Lehre in Präsenz stattfindet. Wir freuen uns jedoch sehr, dass wir mit dem Digital Fellowship dazu beitragen können, die ansonsten sehr traditionelle Lehre an Deutschen Musikhochschulen ein Stück weit zu modernisieren.
Prof. Wolf: Wir haben bereits vor einigen Jahren das immer größer werdende internationale Interesse an unserer Ausbildung bemerkt und aus diesem Grund auch an der gesamten Fakultät für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnologie den internationalen Masterstudiengang „Metallic Materials Technology“ eingeführt. Der Studiengang erfreut sich seitdem einer äußerst großen Beliebtheit und Studierende aus allen Regionen der Welt kommen nach Freiberg um hier ihren Masterabschluss zu erlangen. Selbstverständlich müssen wir dabei auf die individuellen Bedürfnisse von Studierenden mit unterschiedlichen Lernbiografien eingehen und müssen Konzepte entwickeln, mit denen wir eine einheitliche Wissensbasis schaffen um aufbauend darauf eine qualitativ gleichwertige Lehre zu unseren deutschsprachigen Studiengängen zu gewährleisten. Zudem gehen wir davon aus, dass sich der Trend zu heterogenen und internationalen Lerngemeinschaften weiter fortsetzt. Deshalb möchten wir auch in dieser Hinsicht bereits frühzeitig Erfahrungen sammeln, diese mit unseren Kolleg*innen teilen und Rückmeldungen von Studierenden erhalten um unsere Lehre weiter zu verfeinern.
Können Sie bereits erste Erfahrungen an andere Lehrende weitergeben? Was lässt sich von Ihrem Einsatzszenario auch in andere Fachbereiche übertragen?
Prof. Fellow & Frau Beckedorf: Im Hinblick auf die Gitarrenausbildung in Dresden verfügen wir inzwischen über eine ziemlich große Expertise im Umgang mit „differenziellem Üben“. Dies resultiert ja schon aus der Tatsache, dass unser recht umfangreiches Team an Dozent*innen zum Großteil aus der „Dresdner Schule“ kommt und daher zum Teil selbst so arbeitet und diesen Ansatz im Unterricht durchaus auch weitergibt. Inwieweit dies dann auf andere musikalische Fächer an den Sächsischen Hochschulen (oder vielleicht auch andere Fachgebiete) ausstrahlt wird man dann sehen, wenn in einigen Monaten die Videos online sind und auch die Kategorie „Interaktion“ genutzt werden kann. Unsere Herangehensweise an das Differenzielle Lernen nimmt die Perspektive der Musik selbst ein, nur ein kleiner Teil unserer Videos wird wirklich ganz spezifisch auf die Gitarre zugeschnitten sein. Es ist unser Anliegen, die Prinzipien des Differenzielle Lernen so aufzubereiten, dass auch Musiker*innen anderer Fachbereiche und Instrumente mit ihnen arbeiten können.
Prof. Wolf: Wir stellen ein großes Interesse der internationalen Studierenden an ergänzenden Lehrangeboten fest. Der Online-Kurs wurde bisher sehr positiv angenommen und keineswegs als zusätzliche Belastung von den Studierenden empfunden. Insbesondere die interaktive Verbindung des Online-Kurs mit den Lehrenden durch Selbsttests sowie das Forum und das Online-Klassenzimmer ermöglichen eine individuelle Interaktion. Auf diese Weise können Inhalte adaptiert vermittelt und ein sicheres Verständnis gewährleistet werden. Anschauliche Videos sind dabei ein wichtiger Baustein, der dazu beiträgt komplexe Inhalte anschaulich darzustellen. In den regulären Lehrveranstaltungen des Moduls konnten wir bereits feststellen, dass das vermittelte Basiswissen des Online-Kurs erheblich dazu beiträgt dem neu vermittelten Stoff während der Vorlesungen und Übungen problemlos folgen zu können. Die Erzeugung einer einheitlichen Wissensbasis ist sicherlich in jedem Fachbereich eine wichtige Voraussetzung um erfolgreich aufbauenden Lehrstoff vermitteln zu können. Insbesondere bei heterogenen Lehrgemeinschaften sollte aus unserer Sicht ein besonderer Fokus auf diesen Aspekt gelegt werden. Es hat sich bisher als besonders zielführend herausgestellt diese Inhalte kompakt und anschaulich in Form von Videos zu untermauern