Projekt der Hochschule für Musik Dresden im Verbundvorhaben „Flexibles und qualitätsgesichertes Lehren und Lernen im virtuellen sächsischen Hochschulraum“
Der Arbeitskreis E-Learning der LRK Sachsen (AK E-Learning) initiiert und betreut in den Jahren 2022/23 fünf Verbundvorhaben im Auftrag der Landesrektorenkonferenz Sachsen (LRK Sachsen) und in Abstimmung mit dem Hochschuldidaktischen Zentrum Sachsen (HDS). Die Vorhaben werden vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) finanziell unterstützt.
Das Projekt OnMUdiH soll didaktische Potentiale des Online_Musizieren_Unterrichtens aufdecken und auf breiter Basis kommunizieren. Neben technischen Fragen steht auf künstlerisch-pädagogischer Ebene folgende Fragen im Fokus: Welche eigenen künstlerischen Qualitäten entspinnen sich durch innovative Formen des digitalen Musizierens? Inwieweit leisten diese einen individuellen wie kollektiven Ertrag zu einem sinnerfüllten Leben? Welcher (neuen?) didaktischen Rahmung bedarf es, um „den Funken überspringen“ zu lassen? Welche neuen Kommunikationsformen entstehen, die es zu berücksichtigen und zu etablieren gilt? Welche Rolle spielt hierbei das technische Equipment (Kameraeinstellung u.Ä.). Und: Wie können entsprechende Erkenntnisse langfristig in die Lehre eingebunden werden? Diese und weitere Fragen sollen im Rahmen eines hochschulübergreifenden Seminars an der Hochschule für Musik Dresden in Kooperation mit der Hochschule für Musik und Theater Leipzig (Lehramt) erörtert und praktisch erprobt werden. Ziel des Projekts ist das Erstellen einer umfassenden didaktischen Handreichung (z.B. Materialsammlung, Online-Tutorials u.Ä.), die zu Barrierearmut der hochschulischen Online-Lehre – und im Transfer auch der Lehre an Musik-/Schulen – beitragen soll.
Im Interview mit Frau Prof. Dr. Katharina Bradler erfahren Sie mehr zu diesem spannenden Teilvorhaben.
Frau Professorin Bradler, wie ist der Start ihres Projektes „Online_Musizieren_Unterrichten im digitalen Hochschulraum (OnMUdiH)“ verlaufen?
Frau Professorin Bradler: Der Start ist sehr gut verlaufen: Wir konnten einen wissenschaftlichen Mitarbeiter, Anselm Vollprecht, gewinnen, der einerseits über umfangreiches technisches Know How verfügt und andererseits musikpädagogische Forschungsinteressen in Hinblick auf sinnerfülltes Musizieren mitbringt. Seit Juni koordiniert er das Vorhaben. Dabei wird er von den zwei studentischen Hilfskräften Alexander Vinnen und Robin Klopfer unterstützt. Momentan befinden wir uns gerade am Ende der Vorbereitungsphase. In Test-Sessions wird wöchentlich Online-Musizier-Software und Equipment getestet.
Im Wintersemester, das gerade angelaufen ist, wird an der HfM Dresden das neu entwickelte Seminar „Utopien des Online-Musizierens entwickeln und erproben“ für 12-16 Studierende aus dem Lehramt sowie der künstlerisch-pädagogischen Ausbildung stattfinden.
Dieses soll im Sinne des „forschenden Lernens“ organisiert sein: Nach einem kurzen Überblick über den Stand der Technik des gleichzeitigen gemeinsamen Musizierens über das Internet entwickeln die Studierenden in Arbeitsgruppen eigene, für sie attraktive „Online-Musizier-Szenarien“ und erproben ihre Umsetzbarkeit im digitalen Raum.
Nebenbei ist bereits ein kleines Austauschnetzwerk entstanden: Herr Dr. Peter Mall von der HfM Trossingen hat im Juli unter dem Titel „Online-Echtzeit-Musizieren mit Jamulus“ einen 4-stündigen Workshop gehalten und hilft bei technischen Fragen.
An der HTW Dresden stehen wir mit dem Projekt „SYNC-!D“ im Austausch, was für „Synchronisierte Interaktionen über Distanzen“ steht. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dietrich Kammer arbeitet mit aufwendigen 3D-Audio-„Hi-Fi“-Lösungen, um virtuelle Räume immersiver zu machen.
In Leipzig hat die Klavierdozentin Julia Bartha bereits zwei Semester gemeinsam mit Studierenden über die deutsche Online-Plattform „Digital Stage“ musiziert. Geplant ist ein Workshop von Julia Bartha im November und im weiteren Verlauf eine Zusammenarbeit der Studierenden aus beiden Städten.
Außerdem konnte ein Kontakt zu dem amerikanischen Jazzpianisten Dan Tepfer aufgebaut werden, der mit „FarPlay“ eine der führenden Softwarelösungen entwickelt hat.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrem Projekt?
Frau Professorin Bradler: „OnMUdiH“ soll didaktische Potentiale des Musizierens und Unterrichtens im synchronen und asynchronen Online-Raum aufdecken und kommunizieren. Dabei soll herausgearbeitet werden, ob und wie sich schon heute erfüllte und attraktive Online-Musizierpraxen ermöglichen lassen. Im Laufe des Projekts sollen Best-Practice-Beispiele in Videos dokumentiert und die Veröffentlichung einer digitalen Handreichung vorbereitet werden. Diese soll, voraussichtlich in Form einer frei zugänglichen Website, Hinweise zur didaktisch-methodischen Gestaltung von Online-Musizier- und -Unterrichtssettings geben: Was für ein technisches Setup ist empfehlenswert und einfach in der Einrichtung? Sollte Video übertragen werden und falls ja, aus welcher Perspektive? Lassen sich Cues und Zeichen vermitteln? Wie können Akteurinnen und Akteure auch ohne physische Präsenz künstlerisch agieren und guten Unterricht durchführen? Welche eigenen musikalisch-ästhetischen Praxen entwickeln sich im Online-Musizieren?
In Bezug auf unser Verbundvorhaben „Selbstlernen und selbst Üben innovativ fördern“ kommt noch eine Meta-Ebene ins Spiel: Im Seminarsetting wird sich herausstellen, inwiefern die bestehenden Plattformen attraktiv und ausreichend barrierefrei sind, so dass sich Studierende und Schüler*innen selbstständig, also auch ohne Lehrpersonen und feste Vorgaben, gerne zu Musizier-Sessions treffen.
Wie werden die Projektergebnisse zur Verbesserung der Ausbildung der Studierenden beitragen?
Frau Professorin Bradler: Die Ausbildung der Studierenden wird in mehrerlei Hinsicht profitieren: Einerseits soll unser Projekt zur Barrierearmut beitragen, indem es anspruchsvolles Musizieren und Lernen über Distanz ermöglicht – etwa wenn sich Studierende in Quarantäne befinden oder aufgrund anderer psychischer oder physischer Einschränkungen gerade nicht zum Unterricht erscheinen können. Das Zuhause-Sein kann gerade in Bezug auf das in einem Musikstudium so zentrale körperbezogene Lernen Möglichkeiten bieten, aus sich herauszugehen. Studierende können unkompliziert, ohne Raumprobleme zu Sessions bzw. Proben zusammenfinden. Gerade in Pandemiezeiten haben sich Studierende oft allein gefühlt. Indem selbstgesteuerte Szenarien erprobt und gefördert werden, erleichtert dies den Studierenden die Vernetzung untereinander und fördert so kooperative Lernformen, die gegenwärtig noch nicht in allen Bereichen der Hochschule hinreichend genutzt werden.
Andererseits erhoffen wir uns Erkenntnisse und praktische Tipps zu Online-Musizier- Szenarien. Momentan ist der Stand immer noch so – das belegen auch erste Erhebungen – dass traditionelle Formen des Musizierens in Präsenz 1:1 auf den digitalen Raum übertragen werden. Das ist häufig jedoch mit Einbußen in der künstlerischen Qualität verbunden. Hier gibt es noch Potenzial nach neuen (Lern-)Wegen zu suchen, die langfristig in die künstlerisch-pädagogische bzw. Lehramts-Ausbildung einfließen sollen.
Wird studierendenzentrierte Lehre durch Ihr Projekt gefördert und wenn ja, in welcher Form?
Frau Professorin Bradler: Studierendenzentrierte Lehre ist ein wichtiger Aspekt in unserem Projekt: In dem bereits genannten Seminar stehen die Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmenden im Fokus. Ausgehend von den Fragen, Ideen und Probleme, die die Studierenden in Hinblick auf Online-Musizierformen mitbringen, werden Musizierszenarien entwickelt und erprobt. Dabei steuern die Studierenden den Prozess selbstständig. Die Seminarleitung übernimmt hier eine moderierende und unterstützende Funktion. Auch bei der Anfrage für Workshop-Dozierende wurden die Interessen von Studierenden berücksichtigt. Insofern fußt das Endergebnis des Projekts – eine didaktische Handreichung – nicht nur auf den Vorarbeiten und Recherchen unseres wissenschaftlichen Mitarbeiters sowie dem Austausch in unseren Teamrunden, sondern zu großen Teilen auch auf der Beteiligung der Studierenden. Mit der Handreichung soll Studierenden auch die Möglichkeit gegeben werden, sich innerhalb und außerhalb der Hochschule selbständig zu vernetzen und künstlerisch weiterzuentwickeln.
Wie können weitere sächsische Hochschulen von den zu erwartenden Projektergebnissen profitieren?
Frau Professorin Bradler: Die Handreichung wird öffentlich im Web zugänglich sein, so dass sämtliche Hochschulen, insbesondere natürlich die Musikhochschulen (und schließlich auch Musikschulen sowie allgemeinbildende Schulen) von den Ergebnissen profitieren. Sie wird so gestaltet sein, dass sich sowohl Lehrende als auch Studierende leicht zurechtfinden, Hinweise und Links finden, wann, wo und wie Möglichkeiten des Online-Musizierens bestehen. Die Handreichung bietet die Chance, sich als Lehrende selbständig weiterzubilden. Das gilt insbesondere auch für das Unterrichten. Viele Kolleginnen und Kollegen aus dem künstlerisch-praktischen Bereich haben sich bis zur Pandemie nicht mit Online-Unterricht befasst. Künstlerisch Lehrende sollen daher praktische Tipps erhalten, wie auch online mit einem hohen künstlerischen Anspruch unterrichtet werden kann.