Erwerb von Sozial und Medienkompetenzen mit hochschulübergreifenden und internationalen Projektarbeiten fördern

Der Erwerb von Forschungskompetenzen erfolgt in der Hochschullehre einerseits über Seminare zum Wissenschaftlichen Schreiben und andererseits über die Beteiligung der Studierenden an Forschungsprozessen im Sinne des forschungsorientierten Lernens. Gleichzeitig finden Forschungsprozesse verstärkt im digitalen Raum statt, sei es durch den digital gestützten Austausch der Forschenden oder in der Auseinandersetzung mit digitalen Artefakten und Forschungsgegenständen. Zwei unserer Fellowships möchten die Forschungskompetenzen ihrer Studierenden im digitalen Zeitalter stärken und wählen dabei unterschiedliche Ansätze. Prof. Dr. Ronny Baierl von der HTW Dresden und Prof. Dr. Jutta Stumpf-Wollersheim von der TU Bergakademie Freiberg entwickeln ein digital gestütztes und hochschulübergreifendes digital gestütztes Lernangebot zum „Wissenschaftlichen Schreiben“ und Dr. Naomi Truan von der Universität Leipzig forscht mit ihren Studierenden zur Verwendung von Grammatik und Sprache in digitalen Medien.

Wie haben sich Sprache und Forschung Ihrer Meinung nach infolge der Digitalisierung verändert?

Dr. Truan: Digitale Lehre hat neue Kommunikationsformen sichtbar gemacht. Die „Sprache in Social Media“ gibt es jedoch nach wie vor nicht, sondern vielfältige Praktiken, die je nach Kommunikationsziel, Adressat*innen, Grad der Vertrautheit, und teilweise (aber nicht nur) Plattform verschiedene sprachliche Muster aufweisen. Einerseits sind diese neuen Ausdrucksformen in der Online-Lehre mit sehr viel Arbeitsaufwand verbunden, da sehr viel geschrieben wird und ich nach drei Semestern online immer noch deutlich mehr E-Mails, Moodle-Nachrichten und Annotationen wissenschaftlicher Texte lese und schreibe als zuvor. Andererseits erleben wir durch die Verwendung von Chats und Foren neue Zugänge über Hierarchien hinweg, die Beziehungen zwischen Lernenden und Lehrenden stärken, wie z. B. auf diese Weise: Twitter-Link. Vielmehr als ein entweder/oder bzw. als eine Gegenüberstellung Präsenz vs. Online hat die Digitalisierung von Forschung und Lehre gezeigt, dass digitale (Schreib-)Praktiken auch in Präsenz weiterhin benutzt werden können, um vielfältige Interaktions- und Lernformate zu fördern. Digitale Tools habe ich schon recht intensiv in der Präsenzlehre benutzt. In früheren Seminaren haben wir zum Beispiel schon zusammen an kollaborativen Dokumenten (Etherpads) gesessen oder Texte zusammen annotiert. „Digital“ heißt nicht automatisch „nicht in Präsenz“, ganz im Gegenteil. Gerade die Vereinbarung vielfältiger Kommunikationsformen und Lernformate sowohl synchron als asynchron ist eine spannende Aufgabe!

Prof. Baierl & Prof. Stumpf-Wollersheim: Bei der Sprachverwendung stellen wir eine gewisse Pointierung fest. Studierende wünschen sich prägnante Antworten, gerne in einem eindeutigen ja-nein-Schema. Da dies naturgemäß bei wissenschaftlichen Fragestellung äußerst selten realisiert werden kann, können diese Erwartungen teilweise nicht erfüllt werden.
Forschungsprozesse haben sich in Folge der Digitalisierung natürlich auch in vielerlei Hinsicht verändert. Zum Beispiel vereinfacht die Digitalisierung die Zusammenarbeit von Kooperationspartnern unterschiedlicher Hochschulen, die nun orts- und zeitunabhängig zusammenarbeiten können. Diesen Vorteil machen wir uns auch in unserem Projekt zu Nutze, indem wir nicht nur hochschulübergreifend zusammenarbeiten, sondern auch unser Angebot für wissenschaftliches Arbeiten digital zur Verfügung stellen und Studierende in einem Peer-Review-System untereinander digital interagieren lassen. Andererseits stellt die Digitalisierung natürlich auch einen interessanten Forschungsgegenstand dar, den wir in verschiedenen Projekten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten.

Wie unterstützen Sie den Erwerb von Forschungskompetenzen in Ihrem Fellowship?

Dr. Truan: Das ergebnisoffene Konzept des forschenden Lernens stellt eine Herausforderung dar: Zu Beginn des Seminars nicht zu wissen, wo die Reise hingeht, bedeutet sowohl für die Seminarleitung als auch für die Teilnehmenden auf den eigenen Lern- und Forschungsprozess zu vertrauen. Dadurch, dass wir die im Seminar produzierten digitalen Daten analysieren, ist es unmöglich, vor Seminarbeginn Ergebnisse zu haben. So wird Forschung als zyklischer und manchmal teilweise verwirrender Prozess aus erster Hand erlebt.

Prof. Baierl & Prof. Stumpf-Wollersheim: Unser gemeinsamer OPAL-Kurs dient zum einen als „digitaler Handapparat“ mit allen für Studienarbeiten notwendigen Informationen. Zum anderen haben wir mehrere Peer-Review-Angebote integriert, damit Studierende von den Rückmeldungen ihrer Kommiliton:innen profitieren können. Abgerundet wird unser Angebot durch Online-Konsultationen zur Adressierung individueller Fragestellungen. Damit unterstützen wir Studierende beim Kompetenzaufbau, der auf dem Fundament der Eigeninitiative fußt.

Was zeichnet Ihrer Ansicht nach „forschungsorientiertes Lernen“ aus?

PDr. Truan: Im Lehrkonzept bedeutet forschendes Lernen — vielleicht noch stärker als forschungsorientiertes Lernen —, dass die Teilnehmenden die wesentlichen Phasen des Forschungsprozesses, das heißt die Erhebung von Daten, die Erarbeitung von Forschungsfragen und -hypothesen sowie die Präsentation der Ergebnisse, selbst aktiv durchlaufen. Die Teilnehmenden sollen selbst digitale Sprachdaten erheben, annotieren, mit korpuslinguistischen Methoden auswerten. Durch die Beforschung ihrer eigenen digitalen Schreibdaten wird dem Forschungsprozess eine persönliche Komponente beigemessen und die Teilnehmenden werden in eine doppelte Rolle hineinversetzt: Sie sind Forschende und Beforschte zugleich.

Prof. Baierl & Prof. Stumpf-Wollersheim: Primär zielt forschungsorientiertes Lernen auf das fundierte inhaltliche Auseinandersetzen mit fachlichen Themen. Die hierfür notwenigen Forschungskompetenzen werden gewissermaßen beiläufig erworben; genauso wie Präsentationskompetenzen durch das regelmäßige Halten ebensolcher aufgebaut werden. Spezialisierte Module zu diesen Schlüsselkompetenzen können Studierenden den Einstieg erleichtern, sind unseres Erachtens aber nicht zwingend notwendig.

Welche Rückmeldungen erhalten Sie von den Studierenden zu Ihrem Konzept?

Dr. Truan: Die Teilnehmenden bewerteten das Seminar insgesamt sehr positiv. Es bestätigte sich, dass die empirische Auseinandersetzung mit digitalen Schreibpraktiken und insbesondere eigenen Sprachdaten sehr relevant und interessant für Studierende ist. Die Arbeitsform des selbstständigen forschenden Lernens wurde sehr positiv aufgefasst. Während die Multimedialität des Seminars von einigen Teilnehmenden als positiv empfunden wurde, gaben andere an, dass die Vielfalt der Arbeitsmaterialien und digitalen Plattformen zugleich eine große Herausforderung darstellte. Da die Heterogenität der verwendeten Plattformen die Bedingung für einen differenzierten Umgang mit der Vielfalt digitaler Schreibpraktiken darstellt, scheint uns schwierig, sie einzuschränken. Dennoch erinnern uns solche Rückmeldungen immer wieder daran, dass viele Studierende keine digital natives sind und dass Medienkompetenz nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden darf.

Prof. Baierl & Prof. Stumpf-Wollersheim: Wir haben kürzlich die Beta-Version unseres OPAL-Kurses unseren Studierenden zur Verfügung gestellt. Das bisherige Feedback ist sehr positiv und lobt vor allem das „Angebot aus einer Hand“ sowie die bereits erwähnten Peer-Review-Bausteine.