Neben vielen Potentialen des Smartphones in Bezug auf die Flexibilisierung, Individualisierung oder Steigerung von Interaktivität beim Lernen kann dieses im smarten Physiklabor von PD Dr. Frank Stallmach und Professor Dr. Ulf Schemmert auch als Gegenstand und Messobjekt für physikalische Experimente dienen. Unsere Digital Fellows berichten im Interview, wie das funktioniert und sie dabei auch noch die Lernkompetenzen ihrer Studierenden fördern wollen.

Das smarte Physiklabor – selbstbestimmtes Lernen mit dem Smartphone

PD Dr. Frank Stallmach von der Universität Leipzig und Professor Dr. Ulf Schemmert von der HTWK Leipzig haben ein smartes Physik-Labor entwickelt, in welchem die Studierenden selbstständig experimentieren und dabei das Handy als Versuchsobjekt und Messinstrument nutzen. Die Studierenden können so daheim in einem eigenen Physik-Labor selbstbestimmt und flexibel experimentieren und können im Rahmen des entdeckenden Lernens physikalische Zusammenhänge unmittelbar und praxisnah erfahren. Feedback erhalten sie teilweise automatisiert und durch die Lehrenden. Die beiden Digital Fellows berichten im Interview, wie sie dadurch auch die Lernkompetenzen der Studierenden fördern.

Bitte erklären Sie uns Ihr Konzept noch einmal genauer: Was ist ein smartes Physiklabor?

Dr. Stallmach & Prof. Schemmert: Ein modernes Smartphone ist mehr als nur ein Kommunikationsgerät. Je nach Modell besitzt es vielfältige elektronische Sensoren, die es erlauben, physikalische Größen mit sehr hoher Präzision und Zeitauflösung zu messen und digital aufzuzeichnen. Im smarten Physiklabor nutzen wir deshalb Smartphones als physikalisches Messgerät und Experimentiermedium. Für die Physik-Grundlagenausbildung in den Staatsexamensstudiengängen Lehramt Physik an der Universität Leipzig bzw. in kooperativen, praxisintegrierten Ingenieur-Studiengängen an der HTWK-Leipzig haben wir deshalb physikalische Experimentieraufgaben für zu Hause entwickelt. Die Studierenden bearbeiten diese Experimentieraufgaben, indem Sie mit ihrem Smartphone entsprechende Experimente aufbauen bzw. es als Messgerät in ihre Experimente integrieren. So entsteht eine selbstbestimmte Lernumgebung, in der zu Hause oder am Arbeitsort, physikalische Experimente durchgeführt, ausgewertet und protokolliert werden. Die Studierenden wenden dabei physikalische Konzepte, die sie in unseren Präsenz- bzw. Online-Lehrveranstaltungen kennen gelernt haben, in kleinen Experimentiergruppen selbständig an. Sie erlernen so praxisnah die Denk- und Arbeitsweise im Fach Physik.
Für die Staatsexamensstudiengänge reichen die Studierenden die Ergebnisse über die Lehrplattform Moodle digital ein. Sie werden dann vom Lehrpersonal online korrigiert und bewertet. Für die praxisintegrierten Ingenieur-Studiengänge erfolgte die Bewertung mittlerweile in ersten Modellversuchen mit Hilfe eines implementierten WebService. In die Protokolle der Studierenden werden dort sofort Kommentare und Hinweise nach einem definierten Regelwerk eingefügt. Dadurch bekommen die Studierenden eine sofortige Rückmeldung, auch wenn Sie nicht an der Hochschule oder außerhalb der üblichen Arbeitszeiten experimentieren.

Welche Rolle spielt das Smartphone in Ihrem Konzept? Welche Vorteile ergeben sich durch dessen Einsatz?

Dr. Stallmach & Prof. Schemmert: Im smarten Physiklabor ist das Smartphone ein digitales physikalisches Messinstrument und Experimentiermedium. Es erlaubt den Studierenden über Apps physikalische Größen wie Beschleunigungen, Drehraten, GPS-Positionen und magnetischen Feldstärken auszulesen und in selbstentwickelten Experimenten zu messen. Die Messwerte liegen zur Auswertung sofort in digitaler Form vor und können ausgewertet und in das Ergebnisprotokoll übernommen werden. Die Studierenden bekommen so einen unmittelbaren Bezug zu diesen abstrakten Größen. Sie lernen unmittelbar, was sie bedeuten, wie sie im Experiment von anderen Größen abhängen und wie sie durch Modifizierungen der experimentellen Anordnungen beeinflusst werden können. Das Verständnis für die Physik und physikalische Zusammenhänge wird somit durch das selbstbestimmte Lernen mit den Experimentierhausaufgaben und dem Smartphone gefördert.

Inwiefern adressieren Sie mit Ihrem Konzept die Lernkompetenzen Ihrer Studierenden?

Dr. Stallmach & Prof. Schemmert: Die Studierenden sind in der Regel sehr aufgeschlossen gegenüber dem eigenständigen Experimentieren im Rahmen des smarten Physiklabors. Wir beobachten oft angeregte Diskussionen, in denen Studierende sich untereinander über ihre Lösungsansätze der aktuellen Experimentierhausaufgabe austauschen, sich gegenseitig unterstützen und korrigieren. Wir als Lehrpersonen leiten diese Diskussionen im Sinne eines kooperativen Lernens an und versuchen die Studierenden zu den bestmöglichen Lösungen zu führen. In beiden von uns betreuten Studiengängen reichen die Studierenden oft zusätzlich Fotos und Videos ihrer Experimente ein, die uns hinsichtlich der Kreativität der Lösungsansätze der Studierenden überraschen aber auch typische Fehler offenbaren. Wir haben mit dem smarten Physiklabor ein Instrument geschaffen, dass die Studierenden motiviert, sich mit Physik aktiv auseinanderzusetzen. Das ist das Beste, was wir als Lehrpersonen zur Kompetenzentwicklung unserer Studierenden beitragen können.